Linie und Form.
Beschwingtheit — kurzum eine neue Innerlich-
keit, die einen formalen Ausdruck ersehnt.
Was dann weiter bei einem überschauenden
Blick über die Schöpfungen dieser modernen
Bildhauer auffällt, ist dieses : sie versuchen alle
die Lösung der plastischen Probleme an den
einfachsten Stellungen und Haltungen der Figu-
ren, dem Schreiten, Stehen, Hocken. Man be-
trachte diese Reihe bewegter Figürchen von R.
Sintenis (Abb. S. 29) oder die Werke von
Maillol (Abb. S. 41), Fehrle (Abb. S. 40)
Edzard (Abb. S. 34) etc. Sie gestalten ein
einfaches, schlichtes Dasein ohne belastendes
Beiwerk ; und weil sich jenes am stärksten und
reinsten am unbekleideten Körper ausspricht,
bevorzugen sie die Darstellung des Nackten so
sehr. Da gibt es keine Anekdote oder Alle-
gorie; einzig aus dem Leben, dem Sein wird
Anlaß und Inhalt dieser Kunst gewonnen; nur
belanglose Zutaten (zumeist statischen Be-
dürfnissen entspringend) werden den Figuren
beigegeben: eine Frau hebt ein Tuch auf, hält
einen Fisch in der Hand oder führt einen Zweig
Trauben zum Mund (wie jene hockende Frau
von Amberg Abb. S. 34). Und doch ist trotz
dieser äußerlichen Beschränkung ein großer
Reichtum an Empfindungen und Bewegungen in
diesen Schöpfungen ausgesprochen. Und doch
ist ein gebeugter Kopf von Lehmbruck (Abb.
S. 26) voll müder Traurigkeit und Melan-
cholie ; und doch ist eine kauernde „Susanna"
von Fiori (Abb. S. 40) von sonniger Heiterkeit,
atmen diese leicht bewegten Figürchen von Ed-
zard (Abb. S. 34) eine beschwingte Grazie und
Unbeschwertheit von berückendem, fast roko-
kohaftem Reiz. Und in den eng aneinander
P/VUL WYNAND-
BEKLIN.
»KAUERNDE«
1814/15 I. «■
35
Beschwingtheit — kurzum eine neue Innerlich-
keit, die einen formalen Ausdruck ersehnt.
Was dann weiter bei einem überschauenden
Blick über die Schöpfungen dieser modernen
Bildhauer auffällt, ist dieses : sie versuchen alle
die Lösung der plastischen Probleme an den
einfachsten Stellungen und Haltungen der Figu-
ren, dem Schreiten, Stehen, Hocken. Man be-
trachte diese Reihe bewegter Figürchen von R.
Sintenis (Abb. S. 29) oder die Werke von
Maillol (Abb. S. 41), Fehrle (Abb. S. 40)
Edzard (Abb. S. 34) etc. Sie gestalten ein
einfaches, schlichtes Dasein ohne belastendes
Beiwerk ; und weil sich jenes am stärksten und
reinsten am unbekleideten Körper ausspricht,
bevorzugen sie die Darstellung des Nackten so
sehr. Da gibt es keine Anekdote oder Alle-
gorie; einzig aus dem Leben, dem Sein wird
Anlaß und Inhalt dieser Kunst gewonnen; nur
belanglose Zutaten (zumeist statischen Be-
dürfnissen entspringend) werden den Figuren
beigegeben: eine Frau hebt ein Tuch auf, hält
einen Fisch in der Hand oder führt einen Zweig
Trauben zum Mund (wie jene hockende Frau
von Amberg Abb. S. 34). Und doch ist trotz
dieser äußerlichen Beschränkung ein großer
Reichtum an Empfindungen und Bewegungen in
diesen Schöpfungen ausgesprochen. Und doch
ist ein gebeugter Kopf von Lehmbruck (Abb.
S. 26) voll müder Traurigkeit und Melan-
cholie ; und doch ist eine kauernde „Susanna"
von Fiori (Abb. S. 40) von sonniger Heiterkeit,
atmen diese leicht bewegten Figürchen von Ed-
zard (Abb. S. 34) eine beschwingte Grazie und
Unbeschwertheit von berückendem, fast roko-
kohaftem Reiz. Und in den eng aneinander
P/VUL WYNAND-
BEKLIN.
»KAUERNDE«
1814/15 I. «■
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