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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 39.1916-1917

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Gold, Alfred: Max Liebermann, Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.8535#0015

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MAX LIEBERMANN-BERLIN.

VON ALFRED GOLD.

Der Verfasser dieses Aufsatzes entschlägt
sich leichten Herzens der Sorge, die man
hier zu Beginn vielleicht erwartet, ob die Kunst
Max Liebermanns augenblicklich „in Mode"
sei. Er gesteht, daß er weder Neigung, noch
Begabung hat, darüber eine ganz zuverlässige
Auskunft zu geben. Zu gering wiegt die Rück-
sicht darauf in seinen Augen, als daß er darauf
achthaben sollte. Mode ist der sterbliche Teil
einer Kunst, ist das in ihr der Vernichtung aus-
gesetzte, ihrem Kern wesensfremde materielle
Etwas. Mode ist das Surrogat in der Kunst.
Sie ist die irreführende und den Künstler ent-
ehrende Gleißnerin, der sich nur der Schwäch-
ling verschreibt. Wer wüßte es nicht: was sie
dem einen Geschlecht als Stein der Weisen
preist, wie oft ist es schon dem darauffolgenden
ein Irrglaube, ein unverständlicher Wahn! Wer
kennte nicht die Beispiele dafür! Hier genügt
es wohl, an eines zu erinnern: Der kraft- und
saftlose Klassizismus eines Thorwaldsen konnte
einstmals die Welt betören, die auf Mode

schwor, und doch dämmerte eines Tages die
Erkenntnis, daß man darüber die wirkliche
Kunst, daß man etwa die rassige, zugreifende
Stärke eines Gottfried Schadow ein Menschen-
alter hindurch einfach nicht erkannt hatte.

Immerhin, sofern ein Blick auf die Welt, in
der man lebt, darüber zu unterrichten vermag,
ist uns, als ob man unter den „Neuesten" die
Kunst Liebermanns, sozusagen, jetzt gelten
ließe. Man erspare uns jede Beiseite-Bemer-
kung darüber, ob wir etwas Wohlwollendes
oder Ungewisses oder Anmaßendes in dieser
Anerkennung sehen. Als Schwingung ist sie
fühlbar. Die deutsche Kunst, so räsonniert
man in diesem Fall, ist nun einmal vorhanden;
sie ist nicht ganz wegzustreichen. Und Max
Liebermann ist immerhin eine ihrer Potenzen.
Er ist eine Quelle von Einfällen, von Einflüssen
auf andere. Er hat aus einer Umgebung, die
nach Menzel nichts Großes mehr zu wollen
schien, wie aus einem toten Stein Funken ge-
schlagen. Er hat Bewegung und sogar eine

XX. Oktober 1916. 1
 
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