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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 55.1924-1925

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Zak, Eugène: Jakob Lutschansky
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https://doi.org/10.11588/diglit.9178#0046

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Jakob Lutschansky.

die ruhige edle „Reife", offenbart die originel-
len Eigenschaften ihres Schöpfers. Sie stellt
einen interessanten Versuch dar, die Nachbil-
der naturgegebener Formen einem eigenwilligen
Rhythmus zu unterwerfen und das Ganze durch
gute Proportionierung in Harmonie zu bringen.

Das Auge betrachtet mit Genugtuung den Kopf
mit seinen einfachen Zügen, seinem tiefen un-
bewußten Ausdruck, die reichen Linien der
Schultern und der Arme. Die edlen Formen
sind voll Ruhe und doch belebt in ihrem würde-
vollen Fluß. Auf der stillen Fläche des Torso
entspringen die jungen, in ihrer Modellierung
tiefes Empfindungsvermögen und leidenschaft-
liche Keuschheit bezeugenden Brüste.

Lutschansky gehört zu denen, die die Kunst-
übung des Holzschnitzens erneuert haben; einige
seiner Holzbüsten gehören zum besten, was in
diesem Zweig geleistet worden ist. Das Bildnis
seines „Sabnehändlers" ist eines der gelungen-
sten darunter. Plastischer Instinkt und Fein-
fühligkeit des Künstlers überflügeln den ersten
Eindruck, den er von seinem Modell empfing.
Die kleinen lächelnden Augen des Mannes, die
dünnen Lippen, obgleich auf das Genaueste
ausgeführt, sind in sehr geistreicher Weise mo-
delliert und der monumentalen Absicht unter-

geordnet: die Linien geben die Synthese des
Modells. Der andere Männerkopf in seiner
schlichten Einfachheit fällt durch das Ernste
seiner Formen auf.

Lutschansky erlaubt sich keine Ausflucht,
kein Sichgehenlassen, alles Zufällige in der Tech-
nik ist ihm verhaßt. Man findet nichts Weich-
liches, nichts Unentschlossenes, kein Ungefähres
weder in den großen Linien noch in den zar-
testen Halbflächen seiner Werke. Er pflegt zu
sagen: Bildhauerei muß einer schönen Sym-
phonie gleichen, sie muß vollkommen sein,
ohne Mißtöne und ohne kleinliche und unvor-
hergesehene Nebenzeichen.

Das will duq durchaus nicht heißen, daß Fein-
heiten der Modellierung ausgeschlossen sind;
sie sind vorhanden, aber sie sind dem großen
Ganzen untergeordnet, ihrem Spiel wird ein
Dämpfer aufgesetzt. Sein „Balalaika-Spieler",
aus einem massigen Holzblock geschnitzt, ist
voll Leben und Bewegung. Kraft ist hier nicht
Derbheit. Empfindung hat mit äußerlicher
Glätte nichts zu tun. Für den Künstler ist die
Natur oft nur ein erster Anstoß zu seinem Werk,
so wie für den Beschauer ein Kunstwerk oftmals
nur ein Thema ist, das jedes Individuum, jede
Generation in eigener Weise auslegt. ... k. z.

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