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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 55.1924-1925

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Pfister, Kurt: Die Terrakotten Michelangelos
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Haag, M.: Garten-Träume
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https://doi.org/10.11588/diglit.9178#0326

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Die Terrakotten Michelangelos.

Vollendung der Werke, die sich infolge der Un-
gunst der Verhältnisse oft durch Jahre hinzog,
stets die Keimzelle der Inspiration vor sich zu
sehen, um sich an ihr neu entzünden zu können.
Vielleicht nahm er auf seinen häufigen Reisen
die Modelle mit sich und hatte auch in kriege-
rischen Zeiten die Gewähr, daß, wenn auch
das Werk zerstört wurde, ihm doch die Ent-
würfe erhalten blieben.

Die drei hier abgebildeten Stücke der Samm-
lung sind Entwürfe zu den Gestalten der Mor-
gendämmerung, des Tages, der Nacht für die
Medicigräber in San Lorenzo zu Florenz. Man
erkennt unschwer die Verschiedenheit in der
Gestaltung von Terrakottamodell und Marmor-
plastik. Bei der Figur des „Tages" ist es (von
kleineren Nuancen abgesehen) vor allem der
ausgeführte bedeutende Kopf mit dichtgewell-
tem Haar, massiver Nase und dem tiefen schmerz-
lichen Blick, der dann in dem Marmorblock nur
flüchtig angelegt worden ist. Die „Morgen-
dämmerung" zeigt im Modell eine mehr ruhend
lagernde, im Marmor eine gesteigert bewegte
Haltung. Die Gestalt der „Nacht" bringt im
Modell teilweise (in Hand und Gewand) diffe-
renziertere, teilweise (in der Darstellung der
Eule) eine mehr skizzenhafte Auffassung.

Die Medicikapelle im ganzen ist unvollendet
geblieben und der Hauch des Ingeniums, der
von Michelangelos monumentalen Werken aus-

geht, vermag das Gefühl peinlicher Ernüchterung
angesichts der leeren und das plastische Werk
vollkommen mißdeutenden, von Späteren ge-
schaffenen architektonischen Anlage der Sa-
grestia nuova nicht zu bannen. Erst wenn man
diese Werke von ihrem Rahmen isoliert sieht,
die Terrakotten und in gesteigertem Maß natür-
lich die ausgeführte Marmorplastik, erkennt
man ganz ihren schöpferischen Sinn. Der Moses
des Juliusgrabmals konnte noch als Gleichnis
und steilste Kurve der trotzig auf sich selbst ge-
stellten, die Synthese zwischen Antike und Na-
tur verwirklichenden individualistischen Schaf-
fenskraft gelten. In der müden und schweren
Dynamik, in dem dunkeln und mystisch beweg-
ten seelischen Rhythmus dieser Gestalten von
San Lorenzo wird schon der von tragischem
Pathos erfüllte Weg des alten Michelangelo
sichtbar, der zu dem „Jüngsten Gericht" der
Sixtina und zu der Pietä Rondanini führt.

Fast durch fünfzehn Jahre (zwischen 1520
und 1534) galt Michelangelos Denken und For-
men diesem gewaltigen Torso der Medicikapelle.
Und während dieser Zeitspanne vollzieht sich
die große Wendung im Leben und Schaffen des
Meisters, die ihn von den Idealen antikischen
Lebensgefühles, klassischer Formanschauung
in die Atmosphäre christlicher Mystik führte.
Vittoria Colonna war auf diesem Weg die
Gefährtin.............kurt pfister.

GARTEN-TRÄUME.

Gibt es etwas Schönes auf der Welt, das
seine Laufbahn nicht als Luftschloß be-
gonnen hätte? In Brahmas Träumen sieht der
Hindu den Ursprung der Schöpfung. Träumen
ist eine urkünstlerische Tätigkeit, Luftschlösser
bauen ist verdienstvoller, als die meisten ahnen.

In vergangenen Zeiten, als die Wissenschaf-
ten noch bescheidene Dienerinnen der pomp-
haften Künste waren, als große Herren noch
große Träume verwirklichen konnten, da war
das Luftschlösser-Bauen und das Garten-Träu-
men eine allgemeine beliebte Beschäftigung.
Die Marquis und die Barone auf dem Lande
träumten Jahrzehntelang von Heckengärten,
Tulipangärten, Gewürzgärten, Ornamentgärten
und verwirklichten davon so viel sie vermochten.

Die Philosophie verschmähte es nicht, die
allgemeine Gartenleidenschaft zu schüren. In
denEssais des 17.und 18. Jahrhunderts ist meist
nicht vergessen „vom Bauen" oder „von der
Gartenkunst" zu reden. — In schweren politi-
schen und staatswissenschaftlichen Aufsätzen

tauchen Kapitel über solche uns scheinbar un-
wichtige Dinge auf I Eine hö chst charakteristische
Sache, ersieht man doch deutlich hieraus, daß die
Beschäftigung mit Bau- und Gartenkunst als dem
„Grand-Seigneur",dem „Cavalier" besonders an-
stehend für seine Mußestunden erachtet wurde.

Den schönsten Garten-Traum des 17. Jahr-
hunderts hat wohl der große Erneuerer der
Wissenschaften, Lord Bacon geträumt. Man
lese, was er in seinen Essais, die leider in
Deutschland so wenig bekannt sind, davon be-
richtet und fühle den wundervollen Zauber
seiner genialen Kunst. Lord Bacon träumt
sich einen Garten der Düfte. Er legt nur ge-
ringen Wert auf die starre Gartenarchitektur
seiner Zeitgenossen, die die Natur knebelt und
peinigt, um sie ihrer Barockornamentik unter-
zuordnen. „Weil der Blütenduft in der Luft
(wo er wie wirbelnde Musik sich hebt und
senkt) lieblicher ist als in der Hand, so ist zum
Behufe dieses Genusses nichts besser, als die-
jenigen Blumen und Pflanzen kennen zu lernen,
 
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