KUNST HAND WERK UND KUNSTINDUSTRIE.
VON DR. LÖTZ—HANAU.
Es ist ein gesunder Zug unsres kulturellen
Lebens in Deutschland, daß die Frage der
Kunst- und Kunstgewerbe-Schulen nicht zur
Ruhe kommt, daß die Verkapselung in der
Akademietradition aufgegeben wurde und die
Auseinandersetzung mit dem realen Leben, mit
der Industrialisierung immer neue Probleme
aufrollt. Man ist ja heute wieder stark bestrebt,
dem Handwerk zu helfen, und alle möglichen
wirtschaftliche, kulturelle und künstlerische
Verbände arbeiten an diesem Werk. Die Kunst-
gewerbeschulen erfassen mehr und mehr die
technische Seite, indem sie Werkstätten ein-
richten, und nicht nur die Ausbildung von sol-
chen Kräften übernehmen, die ihre ganze Aus-
bildung nur auf der Schule selbst empfangen,
sondern auch auf den Nachwuchs im Gewerbe
selbst einwirken, Gesellen- und Meisterkurse
in die Hand nehmen, um mit dem Handwerk
selbst in Fühlung zu bleiben. Ohne Zweifel
liegt das Handwerk künstlerisch stark darnieder.
Die Zeit, da man Renaissance um jeden Preis
nachmachen wollte, hat die Zierwut und Pro-
filierungssucht großgezogen, und die Reaktion
der Werkbundideen hat ins eigentliche Hand-
werk nicht tief eingegriffen, hat aber dagegen
im Edelhandwerk viel geschadet. Wenn man
etwa sieht, wie Goldschmiede material- und
zweckgemäß gearbeitet haben, so wurde man
doch stutzig. Der Handwerker dagegen ist ein
Dickkopf, er will noch alles schönmachen, das
heißt mit viel Zierat. Ich glaube, daß man nicht
alles auf die Renaissance - Imitation schieben
darf, sondern daß der Kernfehler die Profanie-
rung der Kunst gewesen ist. Denn es ist unmög-
lich, daß jeder Handwerker künstlerisch gute Ar-
beiten hervorbringen kann, und wer behauptet,
daß es doch in früheren Jahrhunderten möglich
war, befindet sich in einem Irrtum. Die sach-
lich bessere Ausführung mag wohl den Hand-
werker früherer Zeiten vor mancher geschmack-
lichen Schlechtigkeit bewahrt haben, aber es
gibt doch auch recht viel unkünstlerische und
auch geschmacklose Erzeugnisse. Vor allem
aber war nicht jeder bestrebt, ein eigenes Werk
mtt „persönlicher Sprache" zu geben, sondern
man begnügte sich mit recht getreuer Nach-
ahmung guter Vorbilder. Die Versuche unsrer
heutigen Zeit, das Handwerk künstlerisch zu
neben, werden nur dann etwas erreichen, wenn
sie sich selbst ihr Ziel recht bescheiden stecken,
das heißt, das Augenmerk auf handwerkliche
Qualität und einfachste Zweckform legen und
sich hüten, in den heutigen kunstgewerblichen
Modespielereien etwa Vorbilder zu sehen. Ganz
schlimm aber wird es, wenn solche Bestrebungen
in romantischem Kleid erscheinen und durch
primitive „echte" Handarbeit vor der Indu-
strialisierungretten wollen. Verlorengegangene
Volkskunst soll da ofl gerettet und neu belebt
werden. Das ist genau so wie man oft verlangt,
daß die Bauern, die heute elektrisches Licht von
der Überlandzentrale bekommen, sich in Trach-
ten-Ungetüme stecken, die sich aus der Barock-
zeit erhalten haben, anstatt ihre Kleidung ihrer
Arbeitsweise fortschrittlich anzupassen.
Es ist ein Rechenexempel, daß unser Hand-
werk sich nach der Industrie hin entwickeln
muß. Der romanische Goldschmied schon hat
seine figürlichen Medaillons in Modeln hinein-
geschlagen und schon die Töpferscheibe be-
deutet eine Dienstbarmachung von Hilfsmit-
teln, die den Herstellungsprozeß vereinfachen.
Wir bewundern die Innen-Einrichtungen des
Empire, die Beschläge sind alle gestanzt, und
wieviel feine Sächelchen gibt es darunter.
Aber wo sind die Gründe der Angst vor der
Industrialisierung des Kunsthandwerks? We-
niger Einzelware als Massenartikel I Richtig
angefaßt kann das gegenüber all dem individuell
aufgefaßten Kleinkram ein Herausarbeiten von
einigen sachlichen Typen von formal gutem
Gebrauchsgerät ergeben. Die Masse aber wird
es in der Hand haben, wie die Typen sich ge-
stalten, denn die Industrie fügt sich schmiegsam
den Kunden an. Es gibt nun Leute, für die
diese „Amerikanisierung" entsetzlich ist, aber
liegt unser ganzes kulturelles Leben nicht in
dieser Kurve zur Typisierung und Normalisie-
rung, es ist wie eine notwendige Fahrt in ein
zweites Mittelalter, und Maschine und Kapital
sind Triebkräfte auf dieses Ziel hin. Das Bürger-
tum hat in den letzten fünf Jahrhunderten mit
seinen Forderungen nach Luxus das Kunsthand-
werk sich dienstbar gemacht, das sich vorher
nur der Religion ergab und dem Kultus geweiht
war. Aber das war ein durch und durch ver-
geistigtes, im höchsten Sinne versinnlichtes
Formen, also Kunst schlechthin.
Sollte unsre freie Kunst ihren hohen Sockel
verlassen und sich wieder stark ans Material
binden und doch Kunst bleiben, so liegt dort
die Entwicklung. Wenn unsre technischen Er-
rungenschaften dann erlauben, erste Kunst in
jede Hütte zu tragen, so ist das besser als ge-
schmäcklerisches Kunstgewerbe allüberall. —
VON DR. LÖTZ—HANAU.
Es ist ein gesunder Zug unsres kulturellen
Lebens in Deutschland, daß die Frage der
Kunst- und Kunstgewerbe-Schulen nicht zur
Ruhe kommt, daß die Verkapselung in der
Akademietradition aufgegeben wurde und die
Auseinandersetzung mit dem realen Leben, mit
der Industrialisierung immer neue Probleme
aufrollt. Man ist ja heute wieder stark bestrebt,
dem Handwerk zu helfen, und alle möglichen
wirtschaftliche, kulturelle und künstlerische
Verbände arbeiten an diesem Werk. Die Kunst-
gewerbeschulen erfassen mehr und mehr die
technische Seite, indem sie Werkstätten ein-
richten, und nicht nur die Ausbildung von sol-
chen Kräften übernehmen, die ihre ganze Aus-
bildung nur auf der Schule selbst empfangen,
sondern auch auf den Nachwuchs im Gewerbe
selbst einwirken, Gesellen- und Meisterkurse
in die Hand nehmen, um mit dem Handwerk
selbst in Fühlung zu bleiben. Ohne Zweifel
liegt das Handwerk künstlerisch stark darnieder.
Die Zeit, da man Renaissance um jeden Preis
nachmachen wollte, hat die Zierwut und Pro-
filierungssucht großgezogen, und die Reaktion
der Werkbundideen hat ins eigentliche Hand-
werk nicht tief eingegriffen, hat aber dagegen
im Edelhandwerk viel geschadet. Wenn man
etwa sieht, wie Goldschmiede material- und
zweckgemäß gearbeitet haben, so wurde man
doch stutzig. Der Handwerker dagegen ist ein
Dickkopf, er will noch alles schönmachen, das
heißt mit viel Zierat. Ich glaube, daß man nicht
alles auf die Renaissance - Imitation schieben
darf, sondern daß der Kernfehler die Profanie-
rung der Kunst gewesen ist. Denn es ist unmög-
lich, daß jeder Handwerker künstlerisch gute Ar-
beiten hervorbringen kann, und wer behauptet,
daß es doch in früheren Jahrhunderten möglich
war, befindet sich in einem Irrtum. Die sach-
lich bessere Ausführung mag wohl den Hand-
werker früherer Zeiten vor mancher geschmack-
lichen Schlechtigkeit bewahrt haben, aber es
gibt doch auch recht viel unkünstlerische und
auch geschmacklose Erzeugnisse. Vor allem
aber war nicht jeder bestrebt, ein eigenes Werk
mtt „persönlicher Sprache" zu geben, sondern
man begnügte sich mit recht getreuer Nach-
ahmung guter Vorbilder. Die Versuche unsrer
heutigen Zeit, das Handwerk künstlerisch zu
neben, werden nur dann etwas erreichen, wenn
sie sich selbst ihr Ziel recht bescheiden stecken,
das heißt, das Augenmerk auf handwerkliche
Qualität und einfachste Zweckform legen und
sich hüten, in den heutigen kunstgewerblichen
Modespielereien etwa Vorbilder zu sehen. Ganz
schlimm aber wird es, wenn solche Bestrebungen
in romantischem Kleid erscheinen und durch
primitive „echte" Handarbeit vor der Indu-
strialisierungretten wollen. Verlorengegangene
Volkskunst soll da ofl gerettet und neu belebt
werden. Das ist genau so wie man oft verlangt,
daß die Bauern, die heute elektrisches Licht von
der Überlandzentrale bekommen, sich in Trach-
ten-Ungetüme stecken, die sich aus der Barock-
zeit erhalten haben, anstatt ihre Kleidung ihrer
Arbeitsweise fortschrittlich anzupassen.
Es ist ein Rechenexempel, daß unser Hand-
werk sich nach der Industrie hin entwickeln
muß. Der romanische Goldschmied schon hat
seine figürlichen Medaillons in Modeln hinein-
geschlagen und schon die Töpferscheibe be-
deutet eine Dienstbarmachung von Hilfsmit-
teln, die den Herstellungsprozeß vereinfachen.
Wir bewundern die Innen-Einrichtungen des
Empire, die Beschläge sind alle gestanzt, und
wieviel feine Sächelchen gibt es darunter.
Aber wo sind die Gründe der Angst vor der
Industrialisierung des Kunsthandwerks? We-
niger Einzelware als Massenartikel I Richtig
angefaßt kann das gegenüber all dem individuell
aufgefaßten Kleinkram ein Herausarbeiten von
einigen sachlichen Typen von formal gutem
Gebrauchsgerät ergeben. Die Masse aber wird
es in der Hand haben, wie die Typen sich ge-
stalten, denn die Industrie fügt sich schmiegsam
den Kunden an. Es gibt nun Leute, für die
diese „Amerikanisierung" entsetzlich ist, aber
liegt unser ganzes kulturelles Leben nicht in
dieser Kurve zur Typisierung und Normalisie-
rung, es ist wie eine notwendige Fahrt in ein
zweites Mittelalter, und Maschine und Kapital
sind Triebkräfte auf dieses Ziel hin. Das Bürger-
tum hat in den letzten fünf Jahrhunderten mit
seinen Forderungen nach Luxus das Kunsthand-
werk sich dienstbar gemacht, das sich vorher
nur der Religion ergab und dem Kultus geweiht
war. Aber das war ein durch und durch ver-
geistigtes, im höchsten Sinne versinnlichtes
Formen, also Kunst schlechthin.
Sollte unsre freie Kunst ihren hohen Sockel
verlassen und sich wieder stark ans Material
binden und doch Kunst bleiben, so liegt dort
die Entwicklung. Wenn unsre technischen Er-
rungenschaften dann erlauben, erste Kunst in
jede Hütte zu tragen, so ist das besser als ge-
schmäcklerisches Kunstgewerbe allüberall. —