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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 55.1924-1925

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Usinger, Fritz: Hessische keramische Manufaktur A.-G.: Künstlerische Leitung: Well Habicht
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https://doi.org/10.11588/diglit.9178#0204

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HESSISCHE KERAMISCHE
MANUFAKTUR A.-G.

KÜNSTLERISCHE LEITUNG:
WELL HABICHT.

Es ist ein Geheimnis um das
Altern und das Veralten
in den Künsten. Ein Geheim-
nis, das irgendwie darauf hin-
aus will, wie weit es in dem
betreffenden Kunstwerk ge-
lungen ist, Lebendiges in Form
zu fangen, und zwar in eine
Form, die seiner besonderen
Natur gerecht wird, die es ver-
lockt, ja zwingt, ewig in ihr
zu kreisen. Man kann ruhig
sagen: in Zeiten hoher Kunst
gelingt das Ewige, in Zeiten
minderer Kunst aber noch
nicht, was 10 Jahre taugt.
Denen geht es, wie einem, der
glaubt, er hätte die Fliege ge-
fangen: Wenn er aber vor-
sichtig und ganz langsam die
Hand aufmacht, ist sie leer.
Eine Vase aus der minoischen
Zeit Alt-Kretas ist für uns von
so vollkommener Jugend, von
so naher, schaumgeborener
Frische, daß es unfaßbar dün-

"WELL HABICHT. »GLASIERTE KERAMIK«

ken mag, warum die Götter,
denen sie gehörte, uns seit
Jahrtausenden den Rücken
wandten. Gehen wir aber nur
zurück bis zur letzten Jahr-
hundertwende, so finden wir
keramische Arbeiten, u. zwar
von den tüchtigsten damaligen
Künstlern verfertigt, die uns
heute einfach unannehmbar
erscheinen. So z. B. Werke
der Gruppe des „Art du feu"
aus Paris. Was solche Kera-
miken so rasch veralten ließ,
war, ganz allgemein gesagt,
ihre Kompliziertheit, ihre
Künstlichkeit, die Abwendung
von der stillen Einfachheit.
Es fehlt ihnen jede Selbstver-
ständlichkeit. Es ist ein Un-
sinn, eine Vase zu einem
Genrebild auszubauen wie et-
wa diesem: Den Vasenfuß
bildet ein sich aufbäumender
Wogenkamm. Vor ihm birgt
sich hinter dem Vasenhals,
angstvoll angeschmiegt, ein
kleiner nackter Junge. Noch
schlimmer aber ist ein ande-
res : Eine rein figürliche Dar-
 
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