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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 55.1924-1925

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Usinger, Fritz: Hessische keramische Manufaktur A.-G.: Künstlerische Leitung: Well Habicht
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https://doi.org/10.11588/diglit.9178#0205

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Hessische keramische Manufaktur A.- G.

Stellung zeigt eine langhingestreckte Frauen-
gestalt, halb entblößt, den Kopf in die eine
Hand gestützt, über einem Notenblatt träu-
mend. Neben ihr ruht eine Leier. Dieses mu-
sische Instrument aber — man staune — läßt
sich öffnen und enthält — ein Tintenfaß. Diese
Dinge sind dahin. Man wird heute darüber
lachen. Aber es ist leichter zu wissen, was
vermieden werden muß, als was sein darf und
soll. Als Grundlage dient natürlich immer das
Wissen um die Natur des zu bildenden Stoffes
und seine Möglichkeiten, etwa um die zierhafte,
spielerische Kleinplastik des Porzellans, um die
malerisch zu unterstützende und auszubeutende
formale Grazie der Fayence oder Majolika und
die schwerblütigere, erdgebundenere Natur des
Steinzeugs. Um dies letztere nun handelt es
sich bei den Arbeiten der Hessischen kera-
mischen Manufaktur, Gießen. Ihr künstleri-
scher Leiter ist Well Habicht, der durch seine
bildhauerischen Leistungen und seine jahrelange
keramische Arbeit bekannt ist (zur Orientierung
hierüber siehe die früheren Berichte über Aus-
stellungen der Darmstädter Sezession in dieser
Zeitschrift!). Aus der persönlichen künstleri-
schen Art Habichts ergibt sich von vornherein,
daß malerische Probleme aus seiner keramischen
Arbeit ausgeschlossen bleiben. Der formal
bildnerische Trieb ist bei ihm der unbedingt
herrschende. Er ist eben Plastiker auch in
seinen keramischen Werken. Seine bildnerische
Idee aber ist, wenn man es in einem Wort sagen
will: Statik. Begriffe wie Stand und Bewegung,
die im allgemeinen Denken nichts sind als Re-
lativierungen, Andeutung von Beziehungen, be-
deuten in der Kunst ursprüngliche Kräfte, sie
bedeuten eine Natur. Sie können das ganze

Wesen eines Künstlers und seines Werkes aus-
machen (Mischung oder Beitritt anderer Ele-
mente ist selbstverständlich ebenso möglich).
Der Verkörperungswillen der Kunst Habichts
geht ganz auf ruhigen Stand. Jede Bewegung
bezieht sich zurück auf die Ruhe. Ein Gegen-
pol dazu wäre etwa Rodin, bei dem sich jede
Ruhe auf Bewegung zurückbezieht. Diese Ruhe
in den Werken Habichts ist eine wunderbare
ursprüngliche Gesundheit, eine einfache irdische
Beharrung, Erdnähe, guter, seliger Besitz des
Stoffes. Hier ist der Stoff noch ein lebendig
Wirkendes, ein sich in seiner Schwere und
Massigkeit als wollend Offenbarendes, etwas,
das ein eignes Gesetz verlautbart, aber nicht
feindlich. Hier braucht nichts vergewaltigt, kein
böser Widerstand bezwungen zu werden. Hier
will nur etwas gehört und verstanden sein, be-
achtet und in seinem Eigenwillen miteinbezogen
sein, ja sogar von sich selbst aus mitwirken.
Das gibt allen Werken Habichts, durch die
Strenge des Auf baus hindurchschimmernd, jene
Güte und wunderbare Milde. Man betrachte
einmal daraufhin den „ Christopherus" ! Das
Ganze als Gruppe vollendet geschlossen. Es
ist nur eine Säule aus Ton. Aber welche Fülle
ausstrahlenden Lebens! Der machtvoll aus-
schreitende Alte, die liebend hütende Haltung
der Arme, auf dem Gesicht das fast angstvoll
ergebene Dienen vor dem Kind, dessen Gött-
lichkeit unbekümmert und mit der fernen Ruhe
des nicht Beteiligten sich dem begnadeten Die-
ner überläßt. Diese Beruhigung, dieser Einklang
der Kräfte, diese wohllautende gegenseitige
Durchdringung von formaler Gestaltung und
kreatürlichem Ausdruck findet sich in allen
keramischen Arbeiten Habichts wieder, sei es

WELL HABICHT. »GLASIERTE KERAMIK-.
 
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