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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 55.1924-1925

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Corwegh, Robert: Vom Schöpferischen
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https://doi.org/10.11588/diglit.9178#0344

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FRITZ AUGUST BREUHAUS— MÜNCHEN.

»KINDER-SCHLAF- UNI) SPIELZIMMER«

VOM SCHÖPFERISCHEN.

Dem spielenden Kinde verwischen sich die
Grenzen zwischen der Welt der Tatsachen
und der Welt der schöpferischen Vorstellung.
Eine Garnrolle stellt ihm nicht nur bald einen
Wagen, bald einen Soldaten vor, sie wird ihm
zum Wagen, zum Soldaten. Ein Kenner der
Kinderseele erzählt, wie seine Kleine mit Holz-
stücken das Märchen von Hänsel, Gretel und
der bösen Hexe gespielt habe. Plötzlich habe
das Kind aufgeschrien und sich an seine Knie
geflüchtet: „Vater, die Hexe hat mich so böse
angesehen!" Solche Beobachtungen lassen uns
nicht nur in die Seele des Kindes blicken, sie
lösen viele Rätsel über das Schöpferische im
Menschen, Das Schöpferische entstammt dem
Spieltrieb des Menschen, die Umwelt in seine
Unterhaltung mit einzubeziehen. Er ist nicht
Gegner der Natur. Aus ihr fallen dauernd Bil-
der in die Seele des Schöpferischen, sie werden
vereint mit den Erinnerungen aus dem Unter-
bewußten die Steine, aus denen die Phantasie
baut. Wie im Traume alle Gegenspieler immer

eine Seite vom Träumenden selbst darstellen,
und ihre Reden aus dem Seeleninhalt des Träu-
mers geboren sind, so müssen die Schöpfungen
des Künstlers, eines Tagträumers, irgend eine
Seite des Seeleninhalts darlegen. Das wird
immer der Fall sein, wenn der Künstler, wie
das Kind zwecklos im Spiele schafft, wenn Be-
wußtes in das Ordnen der Steine nicht will-
kürlich eingreift. Wo aber Zwecke den freien
Schöpfungsakt stören, dringen Inhalte insKunst-
werk, die nicht aus der Tiefe und aus dem ewig
Kindlichen des Künstlers geboren sind, und
das Werk seiner Hände sinkt vom freien Spiel
zur zweckmäßigen Arbeit. Zweckmäßige Arbeit
kann sehr wertvoll sein und ist es auch im Zu-
sammenleben der Menschen, niemals darf sie
aber mit Kunst verwechselt werden. Die Kunst
darf nicht wollen und sollen, ihr Wert beruht
darin, daß sie ist, und Weltbilder aus der Tiefe
des spielenden Mannes widerspiegelt, der mit
den Erfahrungen des Mannes Kind allem Ge-
schehen gegenüber geblieben ist. rob. corwegh.

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