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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 55.1924-1925

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Sutter, Otto Ernst: Kunstgewerbliches auf der Wembley
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https://doi.org/10.11588/diglit.9178#0123

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KUNSTGEWERBLICHES AUF DER WEMBLEY.

VON OTTO ERNST SUTTER.

Britische Besucher der „Werkbund-Ausstel-
lung 1914", die durch den Ausbruch des
Weltbrandes leider frühzeitig beendet wurde,
empfingen bekanntlich von den Leistungen, die
man in Köln zu sehen bekam, so starke Ein-
drücke, daß unter offizieller behördlicher För-
derung der „Englische Werkbund" ins Leben
gerufen wurde. Von seiner regsamen Tätigkeit
während der ersten Kriegsjahre ist manches
Interessante berichtet worden. Wer indessen
nach sichtbaren Erfolgen der Wirksamkeit des
„Englischen Werkbundes" auf der großen Lon-
doner „Empire Exhibition" dieses Sommers
sucht, wird schwer enttäuscht sein. Das zeit-
genössische britische Kunstgewerbe, wie es
vor allem im „Palace of Arts" gezeigt wird,
bleibt fast durchweg unter dem Niveau, das für
Arbeiten dieser Art in Deutschland heute ge-
fordert wird. Das Können der Gegenwart reicht
nicht annähernd an die Werte heran, die in
vergangenen Epochen in England geschaffen
worden sind, und an die eine Reihe von Räumen
erinnert, in denen Stil und Note vergangener
Zeiten anklingen. Man sieht Zimmer aus den
Epochen um 1750, 1815, 1850 und 1880 und
freut sich an den großen Schöpfungen englischer
Innenarchitektur von ehedem. Da muß, was
aus unseren Tagen in einem ländlichen Speise-
saal, einer Schlafstube usw. Aufstellung ge-
funden hat, weit zurücktreten. Zeichnet die
retrospektiven Gemache eine süperbe Behag-

lichkeit aus, ist in ihnen wohltuende Geschlossen-
heit des Ausdrucks im einzelnen Stück wie im
ganzen Raum gewahrt, so müssen sich die
Zimmer einer modernen Villa mit Möbeln zu-
frieden geben, die höchstens nach der Seite
ihrer technischen Qualität hin genügen.

Ganz im oberflächlich Konventionellen ist
die Basilika befangen. Man darf mit ihr die
Behrens'sehe Dombauhütte der Münchener Ge-
werbeschau nicht in einem Atemzuge nennen.
Das brave Reinhandwerkliche, das gewiß nicht
fehlt, muß sich überall um untaugliche Objekte
mühen. Auffallend ist — auch sonst in der
Ausstellung — wie wenig der Gartenbau zu
Worte kommt. Und auf diesem Gebiet hat das
England von heute doch wirklich etwas zu
zeigen. Man sieht in den Vorgärten Londons
und anderwärts ausgezeichnet angelegte Beete,
meist ganz auf die Geltung des pflanzlichen
Materials gestellt und darum von erfreulich
selbstverständlicher raumhafter Wirkung.

Starke architektonische Leistungen be-
sitzt die britische Reichsausstellung eigentlich
nur in den ungemein reizvollen burmesischen
Pavillons, die rechte Wunderwerke fremdlän-
dischen Barocks sind, und neben denen die kalt
und nüchtern anmutenden Fassaden der Paläste
Australiens, Kanadas, Neuseelands usw. gerade-
zu kläglich erscheinen. Die Hallengebäude für
die Industrien und die Technik sowie das Haus
der englischen Ministerien streben nach ein-

XXVIII. OHl-Not. 1924. 12*
 
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