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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 55.1924-1925

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Geron, Heinrich: Vom Wesen des Gesellschaftsraums: Harmonie und Intimität
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https://doi.org/10.11588/diglit.9178#0107

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ARCH. PROF. EDUARD PFEIFFER—MÜNCHEN.

»PÄD DER DAME IM HAUSE L. JN HAMBURG«

VOM WESEN DES GESELLSCHAFTSRAUMS.

HARMONIE UND INTIMITAT.

Der Mensch ist Maß und Mitte aller Dinge,
oder wenigstens: er sollte es sein. Man
frage sich also, wie der wirkliche, gesellige
Mensch beschaffen ist, wie gute Geselligkeit
unter gepflegten Menschen aussieht, und man
wird von selbst wissen, unter welchen Gesichts-
punkten der ideale Gesellschaftsraum zu er-
stehen hat. Gesellige Naturen erfreuen uns
gemeinhin durch Unbefangenheit, durch offenes,
freimütiges Wesen, durch persönlichen Zauber,
natürlichen Takt, angeborene Liebenswürdig-
keit. Sie geben sich mit einer gewissen Auf-
geräumtheit an uns hin, sie befinden sich in
einer ständigen Bereitschaft uns hinzunehmen,
so wie wir sind. Genau so sollte auch der Ge-
sellschaftsraum uns anmuten. Luft, Licht, mög-
lichste Weite, Gefälligkeit im ganzen, das sind
die Hauptforderungen. Takt haben, heißt auch
hier einzig das richtige Maß herausfinden, nicht
zuviel, nicht zu wenig; wobei aber zu bemerken
ist, daß Überladenheit schlimmer ist, als Karg-
heit, denn jene erdrückt leicht, während diese
jeglichen Stimmungen Platz geben kann; im

großen und ganzen ist der Mensch genüg-
samer als unerfahrne oder ängstliche Gastgeber
meinen möchten, dazu: ein Fehlen wird leicht
übersehen, ein Fehler nie. Der Zauber des Per-
sönlichen darf niemals fehlen, wer seinem Heim
nichts von Persönlichkeit mitteilt, hat entweder
keine, das ist sehr schlimm, oder er enthält
seinen Gästen sein Bestes vor, und das ist sicher
noch schlimmer, weil es nämlich unhöflich ist.
„Wie einladend ist dieser Raum!" denkt der
Gast beim Eintreten; „Ja, kommen Sie näher,
nehmen Sie Platz, Sie sind hier zu Hause",
scheint ihm der Gesellschaftsraum zuzuraunen.
Und der Gastgeber, der dies alles wohlbemerkt
hat, denkt bei sich: „Es ist mir geglückt".

Harmonie in jeder Beziehung und Intimität,
diese aber nicht im Sinne des Familiären, son-
dern im Sinne der ungezwungenen, heiteren
Freundseligkeit, des harmlosen Entgegen-Kom-
mens, der schönen, gelassenen Lebensleichte,
das ist das Beste, was man einer geselligen
Veranstaltung nachsagen kann. Und dasselbe
muß auch von dem Raum befunden werden,
 
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