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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 55.1924-1925

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Weiser, Armand: Dina Kuhn, Wien
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https://doi.org/10.11588/diglit.9178#0126

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DINA KUHN—WIEN.

KERAMIK »KEEINPLASTIK«

DINA KUHN-WIEN.

Bei allem künstlerischem Ernste, der aus den
keramischen Arbeiten Dina Kuhns spricht,
ist doch die Frau als Schöpferin nicht zu ver-
kennen. Alles körperliche Leben darin hat
etwas vom Geist des Rokoko, der die Wunder
des europäischen Porzellans gebar. Hinter dem
geneigten Kopfe, den ausgestreckten Armen,
den leicht gespreizten Fingern und der Haltung
des Gesamtkörpers sehen wir nicht nur eine
innere Bewegung, die notwendig die äußere
Erscheinungsform ergibt, sondern hinter all dem
sehen und fühlen wir mehr als das bloß Un-
mittelbare, das in der Form selbst liegt. Hier
ist Form weniger als Inhalt, Inhalt mehr als
Form. Irgend etwas spielend Geistiges ist es,
was uns irgendwie gefangen nimmt, wir können
einen Blick in das Gewollt-Unbewußte, Gra-
ziöse jener weiblichen Natur machen, die wir
der Kultur der Gesellschaft verdanken. Was
uns besticht, ist die Nuanciertheit, die durch
die Vereinigung der Launen einer geistreichen
Zeit mit der Reizsamkeit subtiler Empfindungen
entstand. Was fehlt, sind jene das tiefe Innere
bewegenden Momente, die aus kraftvoller Wir-

kung und Gegenwirkung, mühevollem Streben
und Widerstreben und gesunder Lebenskraft
in klarer und anschaulicher Form entstehen.

Dina Kuhn ist eine Künstlerin, die mit der
Sensibilität des Instinktes einer Frau die Gren-
zen ihres plastischen Sehens und Darstellungs-
formates erkennt und in ihren keramischen Ar-
beiten die liebenswürdige Sinnlichkeit und mu-
sikalische Bewegung eines Wiener Mädchen-
temperamentes niederlegt. In Döbling, einer
jener sonnigen Vorstädte, die noch in die Arme
der Natur gebettet, doch schon von den Lebens-
geistern der Großstadt durchzuckt sind, ar-
beitet sie in einer alten Werkstätte, aus der
schon seit Generationen gute Töpferware auf
den Wiener Markt kommt. So leicht und zier-
lich ihre Arbeiten, so ernst ist ihr die Arbeit
selbst. Was als fertiges Produkt spielend be-
wältigt erscheint, ist ihr darum nicht minder
wichtig gewesen. Die Entwicklung der Keramik
verdankt vieles der Kontinuität des weiblichen
Charakters, und was als Reminiszenz erscheint,
ist eigentlich nichts als die Beständigkeit einer
sinnlichen Vorstellung.....dr. aruand weiser.
 
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