Ausstellung der Künstler- Vereinigung Dresden 1924.
mit der allgemeinen deutschen Kunstlage zu
sehen: der älteren Generation, die ihr Können
ausreift, folgt die junge, die sich spaltet in eine
puristisch eingestellte, veristische: mit hartem
oft mitleidlosem Sehen der Wirklichkeit — und
in eine pathetisch eingestellte, sentimentale:
mit Nachklängen — meist schwächeren — der
expressionistischen Strömung. Zur harten Er-
ziehung in der Form ruft in Deutschland nur
eine abstrakt arbeitende Gruppe auf, — dies
für deutsches Wesen bezeichnend, — von der
hier keine Vertreter zu zeigen waren. Die
schöne Farbe, die „Gute Malerei" retten einige
reiche Begabungen, die aber auch allein stehen
inmitten der immer vom „Wollen" gefährdeten
Mehrzahl d er deutschen Maler, dr.oskar schürer.
A
ZEITGENÖSSISCHE KUNST.
Goethe, der große Meister des Lebens und
so erfahren auch in seinen kleinen Mög-
lichkeiten und Beglückungen, hat mehrfach die
strengen Kritiker davor gewarnt, das Gegen-
wärtige in der Kunst zu stören oder gar zu
töten. Er meint wohl, man müsse die zeitge-
nössische Kunst unablässig zum Rechten mah-
nen, man müsse und dürfe warnen, aber im
Grunde dringt er immer auf ein freundliches
Mitgehen, auf ein dankbares Geltenlassen. Er
ist feind jedem bösartigen oder verdrossenen
Ablehnen; er wünscht immer, daß man „allen
Widergeist, alles Mißwollen, Mißreden und was
nur verneinen kann, beseitige; denn dabei
kommt nichts heraus ". Goethe wußte, daß alles
Verneinen im Grunde dem Menschen schadet,
da es ihm die allseitige Ausbreitung stört.
„Man halte sich ans fortschreitende Leben,"
lautet seine Mahnung, und wertvoller als jede
noch so berechtigte Verneinung erscheint ihm,
daß wir Süße, Lebenszuwachs, Lebensbereiche-
rung aus allem ziehen, was uns begegnet.
Darin liegt eine große Wahrheit: sind wir
lebensfähig und lebensstark, so dienen uns
schlechthin alle Dinge zum Besten.......r.
*
DIE QUAL, Carl Schuch fragte man, was
Kunst sei. „Ich weiß nicht, was Kunst
ist," antwortete er. „Ich weiß auch nicht, wer
zu sagen vermöchte, was Kunst ist. — Ich
weiß nur: Malerei ist das, was man nicht pho-
tographieren kann; Plastik ist das, was man
nicht abformen kann. Und ich weiß nur, daß
künstlerisches Schaffen eine sehr schmerzliche
Wollust ist, und daß man zum Vollenden, wie
Delacroix einmal stöhnend ausrief, ein Herz
von Stahl besitzen muß."
*
Durch die planlosen Streifzüge der Phantasie
wird nicht selten das Wild aufgejagt, das die
planvolle Philosophie in ihrer wohlgeordneten
Haushaltung gebrauchen kann. q. c. Lichtenberg.
XXVIII. Dezember 1924. 2
mit der allgemeinen deutschen Kunstlage zu
sehen: der älteren Generation, die ihr Können
ausreift, folgt die junge, die sich spaltet in eine
puristisch eingestellte, veristische: mit hartem
oft mitleidlosem Sehen der Wirklichkeit — und
in eine pathetisch eingestellte, sentimentale:
mit Nachklängen — meist schwächeren — der
expressionistischen Strömung. Zur harten Er-
ziehung in der Form ruft in Deutschland nur
eine abstrakt arbeitende Gruppe auf, — dies
für deutsches Wesen bezeichnend, — von der
hier keine Vertreter zu zeigen waren. Die
schöne Farbe, die „Gute Malerei" retten einige
reiche Begabungen, die aber auch allein stehen
inmitten der immer vom „Wollen" gefährdeten
Mehrzahl d er deutschen Maler, dr.oskar schürer.
A
ZEITGENÖSSISCHE KUNST.
Goethe, der große Meister des Lebens und
so erfahren auch in seinen kleinen Mög-
lichkeiten und Beglückungen, hat mehrfach die
strengen Kritiker davor gewarnt, das Gegen-
wärtige in der Kunst zu stören oder gar zu
töten. Er meint wohl, man müsse die zeitge-
nössische Kunst unablässig zum Rechten mah-
nen, man müsse und dürfe warnen, aber im
Grunde dringt er immer auf ein freundliches
Mitgehen, auf ein dankbares Geltenlassen. Er
ist feind jedem bösartigen oder verdrossenen
Ablehnen; er wünscht immer, daß man „allen
Widergeist, alles Mißwollen, Mißreden und was
nur verneinen kann, beseitige; denn dabei
kommt nichts heraus ". Goethe wußte, daß alles
Verneinen im Grunde dem Menschen schadet,
da es ihm die allseitige Ausbreitung stört.
„Man halte sich ans fortschreitende Leben,"
lautet seine Mahnung, und wertvoller als jede
noch so berechtigte Verneinung erscheint ihm,
daß wir Süße, Lebenszuwachs, Lebensbereiche-
rung aus allem ziehen, was uns begegnet.
Darin liegt eine große Wahrheit: sind wir
lebensfähig und lebensstark, so dienen uns
schlechthin alle Dinge zum Besten.......r.
*
DIE QUAL, Carl Schuch fragte man, was
Kunst sei. „Ich weiß nicht, was Kunst
ist," antwortete er. „Ich weiß auch nicht, wer
zu sagen vermöchte, was Kunst ist. — Ich
weiß nur: Malerei ist das, was man nicht pho-
tographieren kann; Plastik ist das, was man
nicht abformen kann. Und ich weiß nur, daß
künstlerisches Schaffen eine sehr schmerzliche
Wollust ist, und daß man zum Vollenden, wie
Delacroix einmal stöhnend ausrief, ein Herz
von Stahl besitzen muß."
*
Durch die planlosen Streifzüge der Phantasie
wird nicht selten das Wild aufgejagt, das die
planvolle Philosophie in ihrer wohlgeordneten
Haushaltung gebrauchen kann. q. c. Lichtenberg.
XXVIII. Dezember 1924. 2