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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 55.1924-1925

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Pfister, Kurt: Paul Gauguin
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https://doi.org/10.11588/diglit.9178#0159

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PAUL GAUGUIN.

VON KURT PFISTER.

Heute schon, da erst zwanzig Jahre vergan-
gen sind, seitdem Gauguin einsam, müde
und enttäuscht auf der Südsee-Insel Dominica
starb, weiß man, daß diesem abenteuerlichen
menschlichen Dasein, das nach immer neuen
Sensationen verlangte und in sonderbaren Be-
täubungen fieberte, das langsam und unab-
lässig von den kleinen Miseren des Alltags aus-
gehöhlt wurde, die letzte künstlerische Rea-
lisation versagt geblieben ist. Im Angesicht
der furchtbaren Eruptionen, die wie die Rhyth-
men der dumpfen Tuben einer Trauermusik das
tragische Schicksal van Goghs schrittweise be-
gleiten, im Angesicht der heroischen Gesinnung
Cezannes, die Quader um Quader, Schicht um
Schicht zum Bau des Turmes fügt — der frei-
lich wie jener von Babylon nie vollendet worden
ist — erscheint das selbstbewußte Gehaben
und die ein wenig eitle Originalitätssucht des
kleinen Halbfranzosen, der sich auf den Pariser
Boulevards nie recht wohl fühlte, bisweilen als
Schaumschlägerei und leerer Theatergestus.

Vielleicht liegt es in der Mischung des Blutes
begründet — der Vater ist Pariser Zeitungs-

redakteur, die Mutter Kreolin, und Paul, der
1848 zu Lima in Peru geboren ward, verlebt
dort die ersten Jahre der Kindheit — vielleicht
auch in der eigentümlichen Dissonanz zwischen
abenteuerlichen Erlebnissen der Jugend und
bourgeoiser Sättigung in frühen Mannesjahren:
mit 14 Jahren macht Gauguin als Schiffsjunge
und Matrose Weltreisen und schafft sich dann
in elfjähriger Tätigkeit als Bankbeamter in Paris
ein kleines Vermögen. (Wie sehr weit entfernt
ist seine raffiniert schlaue Geschäftstüchtigkeit
von der Einfalt des Zöllners Rousseau, der mit
gleicher kindlicher Andacht sein Tagewerk voll-
bringt und in Feierstunden kleine andächtige
Tafeln malt.) — 1883 gibt Gauguin den Brot-
erwerb auf. „Von jetzt an male ich alle Tage".
Er geht nach der Bretagne und kehrt dort-
hin — nach der kurzen Unterbrechung einer
Reise nach Martinique — zurück. Er sammelt
(in Pont Aven und Pouldu) einen Kreis von be-
geisterten Schülern und Gleichgesinnten um
sich, von denen Serussier der bedeutendste ist.
Pissaros und Guillaumins Lehre, denen er viel
verdankt, genügt ihm nun nicht mehr. Die
 
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