Paul Gauguin,
PAUL GAUGUIN.
GEMÄLDE »STILLEBEN«
Synthese ist das neue Programm, anstatt der
kristallinischen Brechung und der in Atome
zerfallenden Impression die breiten, klaren
Flächen und rhythmischen Konturen, anstelle
naturbegrenzter, ja naturwissenschaftlicher An-
schauung die geheimnisvollen, symbolischen
Beziehungen des Unsinnlichen. Die begeisterte
Betrachtung der gotischen Glasmalereien in den
Kathedralen Nordfrankreichs hat gewiß einen
nicht geringen Anteil an dieser Wendung. Wenn
man weiß, daß einerseits Münch und Tou-
louse-Lautrec, andererseits aber auch die neue
kunstgewerbliche Bewegung, zumal der Jugend-
stil von dieser eigenbetonten „schönen" Linie
und breitflächigen Farbigkeit herkommen, hat
man den positiven und den negativen Pol
der Lehre begriffen. — Gauguin besaß ein sen-
sibles Organ für die unterirdische, gärende,
kommende Bewegung, deren geistige Träger
Debussy, Bergson, Maeterlinck, Huysmans,
Rilke, deren Maler Puvis de Chavannes, Odilon
Redon, Edvard Münch, James Ensor werden
sollten. Er besaß das Organ, vielleicht auch
die Begabung, aber nicht die Reinheit und
Stärke der Gesinnung. Intellektuelle und ästhe-
tisierende Instinkte überwucherten alle naive
Empfindung. Er war der Schauspieler und
Regisseur und er gab das Stichwort; aber alles
Leben und Schaffen vermischte er mit Maske
und Gestus des Komödianten. Im Spiegel sah
er die Fratze des eigenen Gesichtes. „Mein
Theater ist das Leben", schreibt er, „in ihm
finde ich alles, den Schauspieler und die Deko-
ration. Das Erlesene und das Triviale, das
Weinen und das Lachen". So konnte sein Vor-
gehen begeisterte Zustimmung wecken, aber
Andere nahmen dann dem vielfach belasteten
und innerlich haltlosen Mann die Fahne aus
den Händen und trugen sie ans Ziel. Strind-
berg hat zu einer Ausstellung von Bildern, die
Gauguin von der ersten Reise nach Tahiti mit-
gebracht hatte, ein Vorwort in Form eines Briefes
geschrieben „.. . an Puvis de Chavannes mußte
ich gestern abend denken, als ich beim süd-
lichen Klang der Mandoline und Gitarre an
den Wänden Ihres Ateliers dieses Durchein-
PAUL GAUGUIN.
GEMÄLDE »STILLEBEN«
Synthese ist das neue Programm, anstatt der
kristallinischen Brechung und der in Atome
zerfallenden Impression die breiten, klaren
Flächen und rhythmischen Konturen, anstelle
naturbegrenzter, ja naturwissenschaftlicher An-
schauung die geheimnisvollen, symbolischen
Beziehungen des Unsinnlichen. Die begeisterte
Betrachtung der gotischen Glasmalereien in den
Kathedralen Nordfrankreichs hat gewiß einen
nicht geringen Anteil an dieser Wendung. Wenn
man weiß, daß einerseits Münch und Tou-
louse-Lautrec, andererseits aber auch die neue
kunstgewerbliche Bewegung, zumal der Jugend-
stil von dieser eigenbetonten „schönen" Linie
und breitflächigen Farbigkeit herkommen, hat
man den positiven und den negativen Pol
der Lehre begriffen. — Gauguin besaß ein sen-
sibles Organ für die unterirdische, gärende,
kommende Bewegung, deren geistige Träger
Debussy, Bergson, Maeterlinck, Huysmans,
Rilke, deren Maler Puvis de Chavannes, Odilon
Redon, Edvard Münch, James Ensor werden
sollten. Er besaß das Organ, vielleicht auch
die Begabung, aber nicht die Reinheit und
Stärke der Gesinnung. Intellektuelle und ästhe-
tisierende Instinkte überwucherten alle naive
Empfindung. Er war der Schauspieler und
Regisseur und er gab das Stichwort; aber alles
Leben und Schaffen vermischte er mit Maske
und Gestus des Komödianten. Im Spiegel sah
er die Fratze des eigenen Gesichtes. „Mein
Theater ist das Leben", schreibt er, „in ihm
finde ich alles, den Schauspieler und die Deko-
ration. Das Erlesene und das Triviale, das
Weinen und das Lachen". So konnte sein Vor-
gehen begeisterte Zustimmung wecken, aber
Andere nahmen dann dem vielfach belasteten
und innerlich haltlosen Mann die Fahne aus
den Händen und trugen sie ans Ziel. Strind-
berg hat zu einer Ausstellung von Bildern, die
Gauguin von der ersten Reise nach Tahiti mit-
gebracht hatte, ein Vorwort in Form eines Briefes
geschrieben „.. . an Puvis de Chavannes mußte
ich gestern abend denken, als ich beim süd-
lichen Klang der Mandoline und Gitarre an
den Wänden Ihres Ateliers dieses Durchein-