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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 55.1924-1925

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Jaumann, Anton: Eine Dachwohnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9178#0177

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ARCH. JULIUS DAVIDSON.

»AUS DEM VORRAUM«

EINE DACHWOHNUNG.

Die Reize des Dachgeschosses sind in den
letzten Jahren von vielen erkannt worden,
die durch die Verhältnisse genötigt waren, sich
dort wohnlich einzurichten. Da ist Licht und
Luft. Die gemütlichen Winkel, die Stimmung
erzeugen und zu denkendem Träumen verfüh-
ren, sind nicht erst künstlich zu schaffen.

Dem Architekten, der echter Wohnkultur
dienen will, ist solch bescheidene Aufstockung,
richtiger der Ausbau eines Dachgeschosses, eine
willkommene Aufgabe. Da braucht er keine
Architekturkünste zu zeigen. Er braucht keinen
neuen Stil vorzureiten. Die Arbeit kann mit
Ruhe und Selbstverständlichkeit vor sich gehen,
begleitet von einer stillen Vorfreude auf die
Überraschungen, die Bewohner und Gäste auf
Schritt und Tritt beglücken werden.

Schikanen des Grundrisses, wenn es solche
bei diesem anspruchslosen Umbau gab, sind
vollständig unsichtbar gemacht. Alles ist natür-
lich. Diese reizvollen Ecken, die Schrägen, die
Durchblicke, anderswo krampfhaft errechnet,
ergaben sich hier von selbst. Mindestens sieht

es so aus. Die Gruppen und Stimmungen sind
so gewachsen, erblüht, wie die Blumen auf der
Wiese. Kein Draht, kein Spalier, keine Schere!
Der Architekt hat gebaut und geordnet wie es
ihm Freude machte. Wie ein Hirtenbub pfeift
und träumtI Kein Gedanke an die Kollegen,
oder an die Kritik oder an den Photographen.
Die Räume waren auch keineswegs bestimmt,
der Öffentlichkeit zu Gesicht zu kommen. Ge-
rade darum wollen wir sie zeigen, als ein Bei-
spiel, wie Mietwohnungen auch in dem ver-
bauten Berlin gerettet werden könnten, ge-
rettet für den materiell Bescheidenen, aber
geistig Anspruchsvollen, der Wohnungskunst
nicht nach der Größe des Raumes und dem
Pomp der Ausstattung bemißt.

Die kleinen Raumverhältnisse und die Viel-
heit der Winkel lassen das Licht überraschend
zur Wirkung kommen. Es ist nicht weit vom
Fenster zur Gegenwand. Die Sonne erreicht
in ihrem täglichen Rundgang fast jedes Stück.
Sie gleitet über den Teppich, streichelt den
Kamin, küßt die Bilder und die pausbäckigen

XXVUL Dszember 1924. 5*
 
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