JOSEF EBERZ—MÜNCHEN.
ZEICHNUNG: »FRASCATI«
ZU DEN ZEICHNUNGEN VON JOSEF EBERZ.
Wenn wir erst von der graphischen Ent-
wicklung der letzten zehn Jahre mehr
Abstand gewonnen haben werden, wird der
Blick sich klären, was es mit dem Geist einer
um jeden Preis „geistigen" Kunst auf sich hat.
Man wird erkennen, daß es am wenigsten beim
„Geist" möglich ist, seines Hauptes Länge eine
Elle zuzusetzen, und daß einer nicht mehr Aus-
druck geben kann, als er wirklich auszudrücken
hat. Daß es aber noch kein Ausdruck ist, die
Köpfe zu überhöhen, den Blick erstarren zu
lassen und die Mimik in Grimassen zu zerschnei-
den; daß es noch keine Komposition ist, das
Dreiecksnetz über die Bildfläche zu legen.
Als einer der wenigen, die vom eingebore-
nen Geiste geführt sind, wird Josef Eberz übrig
bleiben. Alles, was er mitzuteilen hat, ist vom
geistigen Auge konzipiert, drängt vom Geiste
her zum Ausdruck. Daß er in einer Zeit leben
und arbeiten darf, die die geistigen Ausdrucks-
werte zum Selbstgegenstand gemacht hat, mag
ihm Aufstieg erleichtern und Widerhall ver-
mehren: sein Schaffen hätte in der gleichen
Richtung gedrängt, wenn er in der naturalistisch-
sten Zeit geboren wäre. Denn für ihn ist Kunst
Verkündigung einer geistigen Welt. Der Geist
ist ihm nicht Gebärde, geschweige denn bloße
Ausdrucksgebärde, sondern Substanz, Substanz
der Welt und aller Dinge in ihr, wie zugleich
des Künstlers selbst, der im Geiste sich mit
der sichtbaren Welt vereinigt.
Wenn ich dies hinschreibe, fühle ich sofort,
wie vieldeutig und mißverständlich Worte sind.
Man könnte beinah zugleich das genaue Gegen-
teil sagen, könnte von der großen Sinnlichkeit
seiner Strichführung, dem gesuchten Raffine-
ment seiner Nuancierung, von der Wollust in
den Tiefen seiner Lithographien sprechen. Das
verträgt sich alles mit dem Vorgesagten, doch
nicht in dem banalen Sinne, daß „im Künstler
alle Gegensätze vereinigt" seien. Seine große
Sinnlichkeit ist immer nur Sinnlichkeit der Dik-
tion, ist Sensualismus der Fingerspitzen. Dies
ist die große innere Spannung, die durch das
ganze Werk von Eberz geht und in jeder klein-
sten Arbeit anzutreffen ist: die Spannung zwi-
XXVIII. Februar 1925. t
ZEICHNUNG: »FRASCATI«
ZU DEN ZEICHNUNGEN VON JOSEF EBERZ.
Wenn wir erst von der graphischen Ent-
wicklung der letzten zehn Jahre mehr
Abstand gewonnen haben werden, wird der
Blick sich klären, was es mit dem Geist einer
um jeden Preis „geistigen" Kunst auf sich hat.
Man wird erkennen, daß es am wenigsten beim
„Geist" möglich ist, seines Hauptes Länge eine
Elle zuzusetzen, und daß einer nicht mehr Aus-
druck geben kann, als er wirklich auszudrücken
hat. Daß es aber noch kein Ausdruck ist, die
Köpfe zu überhöhen, den Blick erstarren zu
lassen und die Mimik in Grimassen zu zerschnei-
den; daß es noch keine Komposition ist, das
Dreiecksnetz über die Bildfläche zu legen.
Als einer der wenigen, die vom eingebore-
nen Geiste geführt sind, wird Josef Eberz übrig
bleiben. Alles, was er mitzuteilen hat, ist vom
geistigen Auge konzipiert, drängt vom Geiste
her zum Ausdruck. Daß er in einer Zeit leben
und arbeiten darf, die die geistigen Ausdrucks-
werte zum Selbstgegenstand gemacht hat, mag
ihm Aufstieg erleichtern und Widerhall ver-
mehren: sein Schaffen hätte in der gleichen
Richtung gedrängt, wenn er in der naturalistisch-
sten Zeit geboren wäre. Denn für ihn ist Kunst
Verkündigung einer geistigen Welt. Der Geist
ist ihm nicht Gebärde, geschweige denn bloße
Ausdrucksgebärde, sondern Substanz, Substanz
der Welt und aller Dinge in ihr, wie zugleich
des Künstlers selbst, der im Geiste sich mit
der sichtbaren Welt vereinigt.
Wenn ich dies hinschreibe, fühle ich sofort,
wie vieldeutig und mißverständlich Worte sind.
Man könnte beinah zugleich das genaue Gegen-
teil sagen, könnte von der großen Sinnlichkeit
seiner Strichführung, dem gesuchten Raffine-
ment seiner Nuancierung, von der Wollust in
den Tiefen seiner Lithographien sprechen. Das
verträgt sich alles mit dem Vorgesagten, doch
nicht in dem banalen Sinne, daß „im Künstler
alle Gegensätze vereinigt" seien. Seine große
Sinnlichkeit ist immer nur Sinnlichkeit der Dik-
tion, ist Sensualismus der Fingerspitzen. Dies
ist die große innere Spannung, die durch das
ganze Werk von Eberz geht und in jeder klein-
sten Arbeit anzutreffen ist: die Spannung zwi-
XXVIII. Februar 1925. t