Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 55.1924-1925

DOI Artikel:
M. R.: Neue Tekko-Tapeten
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.9178#0403

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
NEUE TEKKO-TAPETEN.

Endlich beginnt sich wenigstens in einigen
Teilen unsres Landes die Bautätigkeit zu
beleben. Für viele rückt damit die Möglichkeit
näher, endlich wieder zu jenem hohen Gut zu
kommen, das für ein geordnetes, gesegnetes
Berufs- und Familienleben so wichtig ist: zu
einem schönen, gepflegten, behaglichen Heim.
Zugleich regt sich auch allenthalben die Lust,
das alte Heim wieder auf die Höhe einer guten,
womöglich vornehmen Lebensform zu bringen.
Nicht oft genug kann die Wichtigkeit dieser
„äußeren" Lebensdinge betont werden; sie be-
einflussen den Menschen viel stärker, als die
Gedankenlosigkeit des Maschinenzeitalters im
Anfang geahnt hat. „Der Mensch ist, was er
ißt", lautete ein berühmter Ausspruch der rein
materialistischen Weltauffassung. Wir wissen
heute: der Mensch ist vor allem auch, was er
sieht, fühlt, tastet, atmet. Er lebt buchstäblich
„nicht vom Brot allein". Er lebt von Licht und
Luft, er lebt von den „Geistern", die ihn um-
schweben, er lebt von den Farben und Formen,
die sein Auge beschäftigen, die ihm wohltätige
Reize spenden oder eine tiefe Beruhigung. Der
Mensch ist mit seiner Umwelt viel inniger ver-
bunden, als wir früher geglaubt haben, und
„Suggestionswirkungen" gehenkeineswegs bloß

von Menschen aus, sondern auch von den tönen-
den und scheinenden Dingen, in deren Mitte wir
leben. Die Seele des Menschen antwortet auf
alle Eindrücke, sie ist von der einen Seite zwar
das beständigste, von der andern aber auch
das bildsamste Wesen, das sich denken läßt.
Wie rasch und folgsam nehmen die Menschen
die Züge ihrer Umgebung an! Wie treu spie-
gelt sich in ihrem Gemüt der helle oder düstere
Himmel ihrer Heimat, die Weite oder Enge, die
Fülle oder Anmut ihrer Wohnung wieder! Wir
wissen, daß ganze Völker ihr Wesen verändert
haben mit der Veränderung ihrer Wohnsitze.
Wir wissen, daß Wohnräume liebenswürdig und
entgegenkommend oder bedrückend und feind-
selig sein können. Ein ständiger Austausch,
ein ständiges Einwirken findet zwischen dem
Inneren und dem Äußeren statt. Damit ist der
Wert des Heims für jeden Menschen festgestellt
und insbesondere die Bedeutung jenes wich-
tigsten Bestandteils der Wohnung, der ihr recht
eigentlich die Stimmung, den Gefühlswert, die
seelische Bedeutung verleiht: die Tapete.

Die Tapete ist das beweglichste, das leich-
teste, ja man kann fast sagen: das seelenhafteste
unter den Dingen der Wohnung. Von außen
gesehen ist sie nichts als Farbe und Linie. Aber

XXVIII. März 1925. 7
 
Annotationen