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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 55.1924-1925

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Unus, Walther: Bildhauer Carl Milles
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https://doi.org/10.11588/diglit.9178#0409

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BILDHAUER CARL MILLES.

Der Zug ins Großartige, der den Schweden
als eine Charaktereigenschaft ohne Zweifel
innewohnt, hat in ihrer Kunst noch nicht oft
sich aussprechen können. In der Baukunst hat
Tessin mit dem Bau des herrlichen Stockholmer
Schlosses allerdings ein Werk von erstem Rang
geschaffen, in der Skulptur ließ der siegreiche
Sten Sture den Lübecker Bernt Notke kommen
und ihn eines der größten Werke deutscher
Holzplastik, den St. Jürgen in der Stor Kyrka,
errichten. Sergels Genie mußte sich trotz der
Gunst des glänzenden Rokokokönigs Gustav III.
7umeist in kleineren Werken verzetteln und
Carl Milles ist eigentlich der erste Schwede,
der von Anfang an als Monumentalkünstler
auftrat und diesem inneren Beruf auch treu
zu bleiben bedacht war.

Carl Milles ist einer der erfindungsreichsten
und vielseitigsten Geister, die die Geschichte
der Bildhauerei je gehabt hat. Er erfaßt seine
Aufgabe jederzeit wie etwas ganz Neues, aus
einer tiefen Vereinigung von Material und Idee.
Das Materialgefühl ist durchaus das Primäre,
eine [frühzeitige handwerkliche Schulung hat
ihn gelehrt, diese Frage als etwas ungemein
Ernsthaftes zu erfassen, sodaß alle diese Dinge
vorerst fast instinktmäßig gelöst werden und
dem Werk die breite Grundlage geben, auf der

sie sicher stehn. Daher hat man so oft bei ihm
die beruhigende Empfindung: der Stoff drückt
schon selbst ein wesentliches Moment des In-
halts aus. Daher aber auch die Mannigfaltig-
keit der Gestaltung. Er wählt die verschieden-
sten Stoffe. Für das große Gustav Wasa-Sitz-
bild im Nordischen Museum Holz, geschnitzt
und farbig und mit viel Gold behandelt. Für
das Scheeledenkmal in Köping und mehrere
große Brunnenkompositionen, sowie das dem-
nächst in Stockholm aufzustellende Tegner-
denkmal Bronze. Eine höchst wichtige Rolle
wies er — schon beim ersten Entwurf des Sten
Sture-Monuments 1902 — dem Sockel zu, für
den er wiederholt Granit in größtem Stil ver-
wendet hat. Ist dies Denkmal auch schließlich
nach langem Warten in stark veränderter Form
zur Aufstellung gelangt, so war seine Formung
doch insofern wichtig, als er dabei im Granit
das für Schweden natürlichste und großartigste
Material fand. Bald verwendete er dieses Ma-
terial — als erster seit Urzeiten — und zwar
mit Vorliebe den schwarzen Granit zu Bildnis-
skulpturen, ja zu Figurengruppen und zeigte,
daß dieser scheinbar unerbittlich ernste Stoff
zu den zartesten Wirkungen benutzt werden
konnte, wenn man ihm seine natürliche Würde
ließ (Sockelfiguren zweier weiblicher Gestalten

XXVUI. März 1925. 8*
 
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