Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 67.1930-1931

DOI Artikel:
B.: Der Maler Othon Friesz
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.7202#0098

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Der Alaler Othon Friesz

OTHON FRIESZ—PARIS

»HAFEN VON TOULON« 1928

Die Elemente der heroischen Landschaft, die
der junge Maler von Poussin übernommen zu
haben schien, hatte er jedoch sichtlich durch
das Medium Cezannes empfangen. Wir wissen,
welche Rolle die Kunst des Klassikers in der
Entwicklung des modernen Meister gespielt hat.
Bei Poussin fand Cezanne das Muster einer Bild-
architektur, wie sie ihm vorschwebte. Grund-
sätzlich anders sind jedoch die Ausdrucksmittel,
deren sich Friesz bedient. Für ihn ist das Malen
kein System, sondern ein Abenteuer, dem er
sich stürmisch verschreibt. Der Plan, die Ord-
nung ist ihm ins Gefühl gedrungen. Die Im-
pulse, denen die Hand folgt, und deren Kraft
in der Breite und dem Schwung der Pinselschrift
ihren Niederschlag findet, scheinen an der ent-
scheidenden Stelle gezügelt. So kommt es, daß
bei dem heftigen Tempo des Vortrages doch
jede Figur in ihren Gelenken sicher aufgefaßt
ist, daß der Raum in seinen Dimensionen durch-
aus klar ablesbar bleibt. Das Temperament, das
hier einen strengen Formenkanon unbekümmert
mit dem eigenen, zeitbewußten Lebensgefühl
erfüllt, wies von vornherein über die rein ro-
manische Kunstwelt hinaus und fand deshalb ver-
hältnismäßig früh östlich des Rheins Widerhall.

Der Maler selbst hat in seiner Jugend übri-
gens eine Zeit lang (im Winter 1909) in Mün-

chen gelebt, und sein Einfluß ist späterhin in
Deutschland bei Pechstein und dem Kreis der
Dresdener Brücke deutlich spürbar geworden.
Allerdings unterscheidet sich Othon Friesz von
den deutschen Nachfolgern durch seinen Kolo-
rismus, der niemals auf dem Nebeneinander von
dekorativ gemeinten Lokalfarben beruht, son-
dern stets Harmonien aufstellt, die aus einer
sinnlichen Deutung der Natur gewonnen sind.
Oft herrscht ein prachtvolles Rostbraun, das in
der für Friesz bezeichnenden Flüssigkeit des
Farbauftrages wie Blut durch seine Malerei
rollt. Daneben steht gern ein saftiges Grün,
vielfach gestuft, und bei den frühen Bildern
dringt das Schwarz der Konturen gelegentlich
als Akzent durch. Später lenkt die Entwick-
lung immer mehr in ruhige Bahnen. Die Reste
zeichnerischer Auffassung werden von der Ma-
lerei aufgesogen. In der farbigen Haltung kommt
es zu tonigen Bindungen. Grau erscheint auf
der Palette und gewinnt an Macht. Die Körper
werden auf ihre plastischen Werte hin beob-
achtet, die anfangs summarische Behandlung
verfeinert sich zu Beobachtungen von Eindring-
lichkeit. Friesz hat sich im Laufe der Jahre ein
höchst sensibles Fingerspitzengefühl erworben,
ohne an Unmittelbarkeit der Wirkung einzu-
büßen. Sein Werk ist zu schöner Fülle gereift, b.
 
Annotationen