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dem Oehlblat gleicht den zwey Tauben/die matt in Eng-
land den Verwandten nach der Hinrichtung zuflicgen
läßt/ zum Zeichen/ daß der Ihrige-keine Gnade gefun-
den. Der Krieg verfälscht mit seinen Gewaltsbewegun-
-en auf einige Zeit die Gewissens-Regungen/. wie das
Erdbeben-die Magnetnadel irrig und lügend macht. Aber
Wie der zufällige Wind nur den ersten Fadtst deS'Spinn-
geweheS gnklebt und bestimmt pssd darauf an diesen das
Kunstthier die ändern ganz geometrisch knüpft/ so kann/
was die Gewalt gründet/ nur das Gesetz bewahren; ein
geistig Großer und geistig Gefürsteter kehrt ewig zum Ge-
setz zurück. Die Kraftlosigkeit liebt Gesetzlosigkeit/ denn
Nicht die AsiMche Mr .die Kraft will dasselbe/ und das-
selbe Heißt Gesetz. — Zur politischen Freiheit gehört die
Preßfreiheit. Unten an h^reinhängenden Laüwinen wird'
jedes taute Sprechen/ das sie herunter wälzen kann/
verboten; aber soll man denn auf dem ganzen Wege
schweigen/ auf dett Ebenen des Friedens? ? Muß ein
Staat erst tvdt seyn/ ehe man ihn zergliedern darf/ und
ists nicht besser durch dessen Krankheitsberichte die Sek-
zionsberichte abznwenden? Oder soll den Bürgen eines
Staats erst ein Feind desselben/ der die Hände bindet/
die Zunge lösen? Man kann jezt der Wahrheit nur den
Hof verbicthen/ nicht Stadt und Land/ hinter den stum-
men Lippen werden die Zähne knirschen: Man kann
Bücher uttd Autoren an Ketten legen/ aber nicht Minen
und Gedanken. Man kann/ wenn man jenes thut/ den-
selben Stoff/ der sich als Licht mild und still umherge-
gossen hätte/ zu einer Flamme verdichten, die brausend
fortfrißt und niederreißt.
Zum Glücke darf man sagen/ daß schon in einigen
neugegründeten Staaten der Friede sich immer mehr vom
Kriege reinigt/ und die Fürsten gleich der Gerechtigkeit
nach dem Einstecken des wilden geschwungenen Schwerö-
les mit stillerer Hand die Wage halten. — Wann wäre
es leichter als jezt/ daß ganze deutsche Gesellschaften —
deutsche zu höherem als Wörterzwcck — höhere Hei-
landsorden auferständen und zusammenträten. — Him-
mel/ wie wohlfeil ist das Leben/ wenn man nur froh
seyn / es nicht scheinen will! Wie viel mehr kostet die
fremde Meinung uns täglich/ Geld und Sünde/ als die
eigne l Das reissende Unthier des Luxus kann kein Ein-
zelner/ sondern nur eine Menge bezwingen. Fürsten
reichen/ wenn nicht in der Verfassung selber die Münz-
städte der spartischen Nothpfennige ist/ mit ihren Pracht-
gesetzen nicht weit! Ihr könnt alle vorausschcn/ daß die-
ser Knochenfraß des Staates/ 'da er niemals innen hal-
ten kann/ noch weit mehr eure Kinder aushölen und
verzehren muß/ wenn ibr nichts bcffreö dagegen vor-
kehrt als ein Paar Lehren/ euch nicht nachzuahmcn/ und

wenn ihr nicht durch EntsagungSgeseÜschaften ihnest das
entgegengesetzte Beispiel der schlechten Vielheit gebt. -
Verarmung thut wie dem Gemeinwesen / so noch mehr
dem Einzelwesen so viel Abbruch/ als Armuth Vorschub;
diese, sperrt denLuxuS mit seinen guten und seinen bösen
Kindern zugleich auS/> jene wirbt durch die Bösen um
den 'Vater an. — Eine Zeitlang werden die Deutschen
gus Unmuth und Geldmangel verschwenden; Schätze
sparen heißt Gegenwart opfern und verschwenden; dazu
muntert aber nicht gefürchtete Zukunft auf/ sondern
gehoffte. — Aber wer soll helfen? Die Männer sind den
weiblichen Prachtordnungen unterthan; die Weiber sind
, hie ewigen Thierwärterinycn des RaubthierS des Luxus/
die Schutzheiligen dieses verwüstenden Sünders und am
Ende die SceleneiNkäüferinnen für Amerika/ wohin und
worunter die Roth hinweht und treibt/ welche ähnlich
der Strafe des Kielholens'/ die den Verbrecher unten
um das Schiff herum zieht / eben so andre um die Erd-
kugel herumschleppt. Aber an wen wend ich mich denn?
An die Mütter. Aber wie kann es geschehen? Nicht
durch eine Mutter/ sondern durch Mütter und der Him- ,
mel und die Ehemänner mögen sie uns bescheren. —
Das zweite Unglück ist/ daß wie die Männer überhaupt
durch Weichlichkeit weit mehr verlieren als die Weiber/
jene sich durch Wollust in dem Grade abstumpfen/ als
diese sich dadurch verfeinern. Und dann weiß Deutsch-
land seine Zukunft. Die letzte Stufe des WaehöthumS
der Pflanzen ist die letzte der Verhärtung. Bei Staaten
rstS die letzte der Erweichung. Was gegen dieses Ent-
nerven der höher» Stände/ welche gerade die Ruder-
stangen Deutschlands in Händen haben/ vorzukehren ist/
weiß niemand weniger als ich. Zucht und Ehrbarkeit ist
Sitte oder Religion. Bessere Gesetze holen die schöne
Sitte nicht zurück/ doch bahnen sie ihr ein wenig den
Rückweg. Irgend eine begeisternde Idee hülfe vielleicht
am meisten/ — und allerdings ist diese da für Menschen/
welche Deutsche sind. Lin zweites Gegengift haben die
Dichter in Händen/ so wie das Gift auch/ es ist heilige
Darstellung der höhern Liebe/ welche/ wenn nicht den
Man»/ doch den Jüngling lange beschirmt. Zeit bei der
Lugend gewönne»/ folglich Alter/ ist alles gewonnen,
denn die Jugend ging nicht verloren. In dieser Hinsicht
haben wir unfern empfindsamen Romanen mehr zu ver-
danken/ als die Franzosen ihren frivolen/ unsre geben
vom Lebensbaum/ ihre höchstens vom Erkenntnißbaume.
Aber welche schreibende Hand dem Beispiel mit dem
Buche/ der Sündenprose mit der Sündenpoesie zu
Hülfe kommt / und welche die Verwundeten der Zeit
vergiftet/ nie werde diese Hand von der eines Freundes
gedrückt oder von der eines Weibes angenommen. — O
 
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