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Die geschichtliche Entwicklung der Fayence.

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an vielen dem Kultus dienenden und dadurch geheiligten
Bauten sind sie den Einwirkungen des Kunsthandels fast gänzlich
entzogen. Da die Bauzeit der meisten bedeutenden Denk-
mäler annähernd bekannt ist, bieten die dadurch fest datirten
Fliesen ein wichtiges, leider noch wenig erforschtes Material
für die Geschichte der morgenländischen Kunsttöpferei.
Bei der regen Baulust auch solcher Völker, die wie die
Seldschuken, Mongolen und Osmanen sich während ihrer
Herrschaft in einzelnen Ländern des Orients den Ruf beson-
derer Kulturfreundlichkeit nicht erwerben konnten, fehlte es
der Fliesenindustrie selbst in unruhigen Zeiten nicht an höheren
Aufgaben. Mufsten ihre Fortschritte schon nothwendigerweise
auf die mit gleichen Mitteln arbeitende Gefäfsbildnerei einen
fördernden Einflufs ausüben, so kam der letzteren ein religiöses
Vorurtheil, das den Gebrauch edelmetallener Gefäfse verpönte,
noch zu Hilfe. Im Grofsen und Ganzen ist der Entwicklungs-
gang der beiden Zweige morgenländischer Töpferkunst ein
gleichartiger, doch stehen jedem von ihnen technische Ver-
fahren zu Gebote, die auf die Schwesterkunst mit Erfolg nicht
anzuwenden waren.
Der Mangel 'an ausreichenden geschichtlichen Anhalts-
punkten und an sicheren Nachrichten über die örtliche Her-
kunft mufs dazu führen, die vielgestaltigen Erzeugnisse der
durch die Kultur des Islam geeinigten Völker nach ihren
technischen Eigenschaften einzutheilen. Dabei ist zu
beachten, dafs die Unterschiede zwischen alcalischen, blei-
haltigen und Zinnglasuren an den orientalischen Töpferwaren
weniger scharf ausgeprägt sind, als an den europäischen. Der
ganze Orient verarbeitet statt des natürlichen Töpferthones
eine künstliche Masse aus etwa 90 Hunderttheilen Kieselsäure,
die durch 3 Theile Thonerde plastisch gemacht und mit 6
Theilen Alcalien gebunden ist. Sie beansprucht einen an-
nähernd hohen Kieselgehalt bei den Glasuren; die Bleiglasur
wird strengflüssig und auch die Zinnglasur wird dadurch stark
glasig und nähert sich in ihrer Erscheinung den alcalischen
und Bleiglasuren.
Innerhalb der durch ihre stoffliche Besonderheit gekenn-
zeichneten Gruppen ordnen sich die zusammengehörigen Gegen-
stände nach ihrer Verzierung, in welcher die im Laufe der Zeit
eintretenden Stylwandlungen und die nationalen Geschmacks-
unterschiede zum Ausdruck gelangen. Die auf diesem Wege
ermöglichten Bestimmungen der engeren zeitlichen und örtlichen
Herkunft sind keineswegs so genau, wie sie bei den Erzeugnissen
des europäischen Kunsthandwerks zumeist zu erzielen sind.
Denn die Entwicklung des Ornaments im Orient ist eine viel
langsamere als im Abendland. Wenn auch die alte Anschauung
von seiner fast gänzlichen Unveränderlichkeit schon wesent-
 
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