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Die Form: Zeitschrift für gestaltende Arbeit — 9.1934

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Börner, E. P.: Ein Beitrag für künstlerisch angewandte Schrift
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https://doi.org/10.11588/diglit.13712#0022

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Ein Beitrag für künstlerisch angewandte Schrift

E. P. BÖRNER, MEISSEN

Wenn innerhalb der nationalen Erhebung auf allen Gebieten
die charakteristischen Zeichen deutschen Wesens in den Vor-
dergrund gestellt werden, so können wir mit Stolz feststellen,
daß uns die deutsche Erde aus einem harten Kampfe zu einem
tief ernsten Seelenleben verbunden hat, aus der auch unser
Handwerk entstand, und dieses liebevolle Verhältnis, das
daraus entsprang, ist es, welches uns davor behütet, leichtfertig
zu sein, um über die tieferen Zusammenhänge von Geist und
Materie hinwegzugehen.

Darum sollten wir auch in allererster Linie unsere hand-werk-
lichen Bildungen rein aus dem Wesen des damit verbundenen
Werkstoffes tief ernst nehmen, damit mit Hilfe des Werkzeuges
wieder der Stil erwächst und in's Leben gerufen wird, wie er
seine Vorbedingungen dazu aufweist.

Wenn wir z. B. die Entwicklung auf dem Gebiete der Schrift
betrachten, so ergaben sich je nach der Eigenart des Materials
des Schreibens, Malens, Sticheins, Punzens usw. die Grund-
lagen der Charaktereigenschaften, die noch heute für die
weitere Entwicklung unserer kulturellen Voraussetzungen er-
forderlich sind.

So wie die Chinesen und Japaner mit dem Pinsel und Tusche
schreiben gelernt haben, die Schriftzeichen und Bilder einen
mehr ästhetischen und malerischen Charakter tragen, so ergab

sich in den nordischen Ländern aus dem geschnittenen Feder-
kiel heraus das Werkzeug, welches grundbestimmend war für
unsere ausgesprochen deutsche Schrift.

Man vergleiche insbesondere die alten Frühwerke deutscher
Handschriften der Psalter, wie wir sie in der Landesbibliothek
Stuttgart vorfinden, deren Schönheit durch die zusammen-
hängende Federführung in dem fortschreitenden Rhythmus, im
Druck der ausfließenden Tinten dem Werke ein architektoni-
sches Bild verlieh.

Aus dieser Eigenart heraus sind Werke entstanden, wie sie in
einem anderen Material, mit Punzen, Griffel und Stichel völlig
undenkbar wären, denn Punzen, Griffel und Stichel verlangen
rein technisch und materialistisch einen Schlag- und Grab-
charakter, wie auch sein Name „Grab-stichel" sagt.

Und gehen wir weiter zurück in die Frühzeit unseres klöster-
lichen Lebens, zu den Bewahrern und Erweckern ernster For-
schung, so überrascht uns die künstlerische Höhe unübertreff-
licher Werke Deutscher Buch- und Schreibekunst und erinnern
uns, daß die Kielfeder-Schneider sowie die Buchmaler und
Schreiber in der Entwicklung der Buchkunst eine besondere
Rolle spielten, die mit dem Anwachsen unseres technischen Zeit-
alters immer mehr und mehr ausstarben, um am Ende die
Stahlfeder und die Schreibmaschine zu setzen,
 
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