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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0084

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Das Schatzhaus des Atreus zu Mykenae.

irdischen Gemächer, und dass seine Anlage es mehr als wahrscheinlich macht, dass es Grabmal und
Schatzhaus zugleich war. Ein Beispiel ermächtigt uns dies zu glauben: Plutarch erzählt dass Philopoemen
in dem Schatzhause zu Messene beerdigt wurde, aber er macht keine nähere Beschreibung von der Form
dieses Schatzhauses. Alle unterirdischen Gemächer in Griechenland, Sicilien und Sardinien waren ohne
Zweifel in ältester Zeit Gräber bedeutender Personen. ') Houel erwähnt ähnlicher Bauten bei Macara in
Sicilien, auch giebt es deren mehrere in Sardinien, wo sie unter dem Kamen Noragis bekannt sind. Dieser
Name könnte vielleicht von Norax, einem Sohne des Mercur und der Erytea herkommen, der an der Spitze
einer iberischen Colonie in Sardinien die Stadt Nora gründete.

Wir wollen jetzt zur Beschreibung unseres Denkmals übergehen. Dasselbe ist mit Ausnahme der
Eingangsseite gänzlich unterirdisch, und sein Aussehen war das eines Tumulus. Ein Gang, der oben offen
ist, von 6 Metres 25 Centimetr. (etwa 20 Rheinl. Fuss) Breite und 19 Metr. 50 Centimetr. (62 Fuss) Länge,
und der von zwei Mauern von sogenannter cyklopischer Bauweise mit parallelen Lagerfugen begränzt wird
(s. Tafel der Details Fig. 1 u. 2) führt zum Eingang, der gegen die Akropolis gekehrt und von derselben
ein Paar Hundert Schritte entfernt ist. Dieser Gang ist jetzt ganz mit Erde und Steinstücken ausgefüllt,
und ist nur vor der Thüre des Schatzhauses aufgeräumt. Diese Thüre ist unten 3 Metr. 17 Centimetr.
(10 Fuss) und oben am Sturze 2 Metr. 32 Centimetr. Oh Fuss) breit; ihre Höhe beträgt 6 Metr. 30 Centimetr.
(20 Fuss), doch hat sich der Boden erhöht, ihre Höhe und ihre Breite am Fusse müssen daher grösser

angenommen werden. Die Wände sind von Quadersteinen in regelmässiger Schichtung aufgeführt. Die
Steine sind aus einem benachbarten Steinbruche entnommen, der den härtesten und dichtesten Baustein
Griechenlands liefert und dem schwarzen Marmor ähnlich ist, der Breccia Tracagnina antica genannt und
zuweilen in den Ruinen Rom's gefunden wird. Derselbe ist von grobem und scharfem Korn, dessen Farbe
schwarz ist, das Bindemittel zeigt verschiedene Nuancen von Gelb.

Der bemerkenswertheste Theil dieser Thüre ist der Sturz, der von zwei mächtigen neben einander
gelegten Steinen gebildet wird. Der grösste von ihnen liegt nach innen, er hat 8 Metr. 15 Centimetr.
(etwa 26 Fuss) Länge, 6 Metr. 50 Centimetr. (20| Fuss) Breite und I Metre 22 Centimetr. (gegen 4 Fuss)
Dicke; ausgenommen in Egypten oder in Balbec findet man vielleicht nirgend wieder einen Steinblock
von so riesiger Grösse. Der zweite Sturzstein ist von derselben Höhe und wahrscheinlich auch von der-
selben Länge als der andere, aber seine Enden sind in der Erde verborgen, die das ganze Bauwerk verdeckt.
Die äussere Fläche des Sturzsteins ist mit zwei parallellen Kehlen geziert, die sich an den Seitenpfosten
der Thüre fortsetzen. Unsere Tafel der Details (Fig. 6 u. 7) giebt davon Grundriss, Profil und Aufriss.
Es finden sich hie und da in den Quadern der Facade Spuren von Löchern, die einigen Alterthumsforschern
Veranlassung zu der Vermuthung gegeben haben, dass dieselbe einen Schmuck gehabt haben müsse, der
durch Klammern gehalten worden sei; dies scheint uns sehr,wenig sicher zu sein, so wie denn die ganze
Restauration, die Donaldson von diesem Bauwerk in dem Supplemente zu Stuarts Alterthümern von Athen
gegeben hat, sehr hypothetisch ist.

Schwer ist es zu bestimmen, wie unser Bauwerk verschlossen wurde, denn man findet keine Spur
von Thürangeln ; dies liess Dodwell vermutlien, dass der Hauptraum innen offen gewesen, und nur durch
die Heiligkeit des Orts geschützt gewesen sei. Zur Unterstützung dieser Meinung führt er eine Stelle
des Pausanias an, in der derselbe sagt, dass der alte Tempel von Mantinea, den Trophonius und Agamedes
erbaut hatten, nur durch eine einfache vor den Eingang gespannte Schnur verschlossen wurde; als Aepytus,
der Sohn des Hippothous, dieselbe zu überschreiten wagte, wurde er mit Blindheit geschlagen und starb
bald darauf im Elend.

Ueber dem Thürsturze befindet sich eine dreieckige Oeffnung, die vielleicht ursprünglich ein Bas-relief
nach Art desjenigen im Löwenthor enthielt; noch wahrscheinlicher ist es indess, dass dies nur eine Art
Luftloch war, das zu gleicher Zeit die Ablastung für die Steine, die den Thürsturz bildeten, herstellte; die
Höhe dieser Oeffnung ist 4 Metres (etwa 12| Fuss) und ihre Breite 2 Metr. 70 Cent. (8| Fuss), sie ist
aussen beträchtlicher als im Inneren. Der Eingang der ägyptischen Pyramiden zeigt dieselbe Construction.

*) Prof. Forchhammer hat jetzt die Hypothese aufgestellt, dass diese Bauten zum Schutze und zum Kühlerhalten von Quellen
bestimmt gewesen seien. Wenn auch beim carcer Mamertinus in Rom, dessen untere Kammer, das sogenannte Till li an um,
dieselbe Construction wie das Schatzhaus des Atreus zeigt, sich eine solche Bestimmung nachweisen lässt, wenn auch das
merkwürdige Quellengebäude zu Tusculum, das Donaldson in den Supplementen zu Stuarts Alterthümern von Athen mittheilt,
nach demselben Constructionsprincip erbaut ist, so möchte doch jene Hypothese des Prof. Forchhammer in der von ihm
angenommenen Ausdehnung sich nicht begründen lassen. (S. Forchhammer's Hellenika T. Theil und Münchener Kunstblatt.
J. 1839. No. 93). L. L.

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