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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0166

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Der Tempel des Olympischen Zeus zu Selinus.

äthros, und gehört zur Dorischen Ordnung. Nach Serradifalco und mehreren andern Autoren hatte er
an den Langseiten je 17 Säulen; aber Houel, und darauf Courtepee, der mit grosser Sorgfalt den Plan
aufgenommen hat, der diesen Aufsatz begleitet (Fig. 1), versichern auf das bestimmteste, dass nur 16
Säulen an der Langseite des Tempels sich befunden haben. Dies ist sehr merkwürdig, indem es ein Beispiel
gegen die Regel der griechischen Tempel ist, welche wenigstens in der Regel an den Langseiten eine
Säule mehr als die doppelte Säulenzahl der Giebelseite haben.

Die Fronte des Tempels hat einen doppelten Porticus; dieser ist durch vier Säulen getheilt, welche
mit der dritten Säule der Langseiten, und durch zwei Säulen, welche mit der vierten in einer Linie stehen,
so dass die Seitenwände der Cella erst mit der fünften Säule der langen Seiten anfangen, und mit Anten
versehen sind. (Fig. 5 und 6.) Serradifalco stellt zwischen diesen Anten zwei Säulen, von denen es
aber dem Herrn Courtepee nicht möglich gewesen ist, irgend eine Spur zu finden.*) Eben so wenig ist
die geringste Spur einer vierten Säulenreihe zu entdecken, die nach Houel an der Vorderseite existirt hätte.

Das Posticum hat keinen doppelten Porticus, und die Anten stehen auf der Linie der dritten Säule
der Langseiten. Der Säulenumgang um die Cella findet sich so breit als zwei Intercolumnien und ein
Säulendurchmesser, was mit der Vitruvschen Regel dieser Art Tempel übereinstimmt.

Die Weite der Intercolumnien ist nicht in der ganzen Länge der Seitenfacaden gleich. Die Säulen
stehen an den Ecken einander näher, um die Solidität des Bauwerkes zu vermehren. Die grosse Anzahl
Säulen von einem weit schwächeren Durchmesser, die man in dem Innern der Cella bei einander sieht,
zeigt uns, dass hier wie in allen hypäthrischen Tempeln zwei Säulenreihen über einander waren. Das
Heiligthum war dreifach getheilt durch zwei Mauern, und bildete so drei Gemächer, F, D, E, &aka\ioi, ohne
Zweifel SsoXg avvvuloiq, Göttern, die an demselben Cultus Theil hatten, geweiht; eine Besonderheit, die viele
alte Tempel zeigen, unter andern die des Olympischen Zeus zu Agrigent und des Capitolinischen Juppiter

zu Rom. Vielleicht hatte indess von den beiden kleinen Räumen F und E der eine die Bestimmung, die
Tempelgeräthe und den Schatz aufzubewahren, während der andre eine Treppe enthielt, die zu den Gallerien
des hypäthralen Raumes führte. Das Posticum scheint eine Art von Opisthodom, G, zu sein, aber er war
nicht verschlossen, und konnte deshalb nicht als Schatzhaus dienen, wie der des Parthenon und mehrerer
andrer Tempel. Die Säulen des Peristyls, des Pronaos und des Posticum (Fig. 8) haben alle einen gleichen
Durchmesser von 2,885 Metres (8 Fuss 11^ Zoll); ihre Höhe beträgt 15,132^(46 Fuss 6| Zoll), ist also
ein wenig geringer als 5f Durchmesser. Einige sind aus einem einzigen Stück. Die Säulen sollten kannelirt
sein; aber nur zwei sind es: diejenigen nämlich, welche die Ecken der östlichen Facade bilden; es ist
also wahrscheinlich, dass das Bauwerk nie vollendet gewesen. Der Abacus der Capitäle, die aus einem
einzigen Stücke sind, hat 3,90 Metres (12 Fuss) (Fig. 2). Diese Capitäle sind merkwürdig durch
die besondere Anlage einer Aushöhlung unterhalb der Riemchen und oberhalb der Cannelüren. Dieselbe
Anlage findet sich an den Capitälen an der kleinen Ordnung (Fig. 10) wieder. Diese Capitäle, in einem
strengen Style, haben viel Aehnlichkeit mit denen von Pästum und Metapont. Man bemerke auch die
besondere Form der Welle im Innern des Porticus. (Fig. 7.)

Unter den Trümmern finden sich noch vier Capitäle, die aber von den andern sehr verschieden sind,
sowohl durch ihre Form und durch die übermässige Ausladung des Echinus, wie auch durch eine Aus-
höhlung unterhalb der Riemchen, welche derjenigen sehr ähnlich ist, die an den Tempeln von Pästum, am
Tempel der Artemis zu Syrakus und demjenigen zu Pompeji, den man den griechischen Tempel nennt,
sich finden. Der obere Durchmesser der Säulen, zu denen sie gehörten, ist nur 1,415 Metres (4 Fuss 4 Zoll),
dagegen die Seite des Abacus 3,330 Metres (10 Fuss 3 Zoll); also eine ausserordentliche Ausladung.
Serradifalco nimmt an, dass diese Säulen zu irgend einem andern Theile des Gebäudes bestimmt waren,
und dass sie die Reste von der untern Säulenordnung im Innern seien. Nach dieser Annahme würden
die andern Säulen, die man gefunden hat und die nur 1,221 Metres (3 Fuss 9 Zoll) im Durchmesser haben
(Fig. 9 und 10) zu der obern Ordnung gehört haben. Ihre Höhe ist ohne das Capital 4,385 Metres
(13 Fuss 6 Zoll); sie sind aus einem Stein.

Die Bruchstücke, die wir Fig. 11 und 12 geben, müssen einen Theil des Gebälkes ausgemacht haben,
der im Innern die beiden Säulenreihen über einander schied.

Die Steinart, aus welcher der Tempel zu Selinus besteht, ist ein Muschelkalk. Dieser wohltönende
Stein ist von einem feinen, dichten und gleichmässigen Korn: er kömmt aus den einige Miglien entfernten
Steinbrüchen von Campo hello, wo man noch eine grosse Anzahl Säulentrommeln, die mehr oder weniger
zugehauen sind, findet.

*) Wir lassen dahingestellt, ob Serradifalco nicht dennoch vielleicht Recht hat.

Literatur.

MAkFigSd

Anm, des deutschen Herausgebers.

1) J. Houel, Voyage pittoresque dans les Ues de Sicile, de Malte et de Lipari.
Paris, 1782, 4 Bde. in Fol.

2) Saint-Non, Voyage pittoresque ou description des royaumes de Naples et
Sicile. Paris, 1786, 4 Bde. in Fol.

3) D'Ostervald, Voyage pittoresque en Sicile. Paris, 1826, 2 Bde. in Gr. Fol.

4) Woods lelters of an archit'ect. London 1828, 2 Bde in 4.

5) Domenico lo Faso Pietra santa, duca di Serradifalco, le antichiti della Sicilia.
Palermo, 1834, 4 Bde. in Fol.

6) De la Salle, Uuivers pittoresque. Sicile, lf-35, Paris, Firmin Didot, in 8.

7) Cucciniello e Bianchi, Viaggio pittorico nel regno delle due Sicilie. Napoli,
3 Bde. in Fol., ohne Jahreszahl.

8) Hittorff et L. Zanth, Architecture antique de la Sicile, in Fol.






 
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