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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0200

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Der Tempel der Athene oder der Parthenon zu Athen.

Mornument; man sieht es schon bei dem Eintritt in den Golf von Aegina. Unter der Leitung des Phidias
wurden die beiden geschicktesten Architekten jener Zeit, Iktinus und Kallikrates mit der Erbauung des
Parthenon beauftragt. *)

Der Parthenon bestand lange Zeit fast unversehrt; die Christen hatten eine Kirche aus ihm gemacht,
die Türken später ihn verschont, aus Gleichgültigkeit oder aus Geringschätzung; nur dass von Zeit zu
Zeit die Anwohner manches Stück Marmor von ihm brachen, um Kalk daraus zu brennen. Spon und
Wheler hatten bei ihrem Aufenthalte in Athen im J. 1676 das Glück, ihn noch ganz zu sehen. Wenige
Zeit darauf kamen der Proveditore Morosini, der später Doge von Venedig wurde, und der schwedische
Feldmarschall, Graf von Königsmark, als Anführer der Venetianer im Kriege gegen die Türken, um Athen
zu belagern.**) Die Türken hatten aus dem Parthenon ein Pulvermagazin gemacht; am 28. September 1687
zündete eine Bombe in demselben, der zerstörte Fussboden zeigt noch die Stelle, wohin sie fiel. Die
Explosion theilte so zu sagen das Monument in zwei Theile; die ganze östliche Seite der Cella, fünf
Säulen des Portikus, alle inneren Constructionen der Cella, acht Säulen der nördlichen Seite des Peristyls,
sechs der südlichen und endlich alle Skulpturen, die zu diesen verschiedenen Theilen des Bauwerks ge-
hörten, wurden zerstört oder umgeworfen. Selbst am östlichen Giebel, obgleich seine Architektur keine
Zerstörung erfuhr, mussten die Skulpturen leiden. Doch ist es, aus dem Zustande der Ruinen zu urtheilen,
wahrscheinlich, dass der Tempel schon lange vor der Katastrophe von 1687 stark beschädigt worden
sein muss, vermuthlich in der Zeit, wo er in eine griechische Kirche verwandelt worden ist. Morosini trug
noch mehr zu seiner Zerstörung bei: er wollte seine Vaterstadt mit den Spolien dieses kostbaren Monu-
mentes bereichern und Hess die Statue der Athene, ihren Wagen und ihre Pferde aus dem Giebel nehmen;
aber durch das Ungeschick der Arbeiter stürzten diese Meisterwerke der Skulptur herab und zerbrachen
in tausend Stücke. ***)

Der Parthenon ist ganz aus schönem weissem Marmor erbaut, den man aus dem in der Nähe liegenden
Pentelikos gewann. Der Tempel ist dorisch, oktastylos, peripteros und hypaethrisch. Seine Länge, auf
der obersten Stufe des Unterbaues gemessen, beträgt 34,78 Metres (107 Fuss), seine Breite 15,50 Metres
(47| Fuss).****) Das Verhältniss dieser beiden Hauptdimensionen ist sehr merkwürdig. Die Seitenfa^ade
hat 17 Säulen, die Giebelfayade acht, also weniger als die Hälfte, eine Anordnung, die allgemein von

den Griechen beobachtet zu sein scheint; man findet sie am Tempel des Theseus, der 6 Säulen an der
Fronte und 13 an den Seiten hat, und an den Tempeln zu Paestum; desgleichen am Tempel des olym-
pischen Jupiter, der nach Pausanias 95 Fuss Breite bei 230 Fuss Länge hatte. Die Kömer gaben ihren
Tempeln eine weit geringere Länge. Die Länge der Cellemnauer beträgt, aussen gemessen, 24,17Metres
(741 Fuss), ohne die Anten, die an ihren beiden Enden vorspringen, die Breite 10,73 Metres (33 Fuss).
Das Innere ist in zwei Theile von ungleicher Grösse getheilt. Der grössere ist der Tempel oder vubc;
der andere, in den man in der Hinterfronte eintrat, war der Opisthodom. Ueber die Stellung dieses Tempels
in Bezug auf die Himmelsgegenden herrscht ein Irrthum, der noch nicht ganz

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beseitigt ist.

Man

hat lange geglaubt, dass am Parthenon wie an den meisten Tempeln die Vorderfacade nach Abend gekehrt
sei, und in der That stellt sich die westliche Facade zuerst dar, wenn man durch die Propyläen auf die
Akropolis kömmt; aber hier liegt die Schwierigkeit. Eben an dieser Seite befindet sich im Innern der
Cella die kleinere Abtheilung (s. den Grundriss), aus der einige, die der gewöhnlichen Orientirung der
Tempel folgen, eine Art Vestibüle oder nQovaog haben machen wollen. Aber wo wäre alsdann jenes
Opisthodom, das alle Autoren einstimmig an die hintere Seite des Tempels setzen? Man muss also an-
nehmen, dass gegen die gewöhnliche Weise beim Parthenon die Vorderfacade gegen Osten gekehrt war,
und wir werden hierzu neue Beweise da beibringen, wo wir von den Skulpturen der Giebel sprechen
werden. Um den Tempel läuft, wie wir schon gesagt haben, ein Peristyl von 46 Säulen, acht an den

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*) Vitruv (Vorrede zum 7. Buch) lehrt uns, dass Iktinus und Karpion ein Buch über den Parthenon verfasst haben. Dem
Iktinus verdankt man auch den Tempel des Apollo Epikurios zu Phigalia in Arkadien, der fast gänzlich im Jahre 1812
wieder aufgefunden worden ist.

*.*) Br'öndsted giebt eine sehr umständliche Erzählung dieser Belagerung, die so verhängnissvoll für die Monumente Athens,
besonders für den Parthenon geworden ist.

* *) Diese für die Kunst so verderbliche Belagerung nutzte den Venetianern wenig: sie mussten die Akropolis und die Stadt
den 4. April 16SS wieder räumen, ungefähr 6 Monate nach der Eroberung des Platzes. Sie trugen keine andere Trophäe
davon als die beiden Löwen von Marmor, die man noch heute an dem Thor des Arsenals von Venedig sieht.

**) Diese und die übrigen Maasse, die wir in diesem Aufsatze geben werden, sind in neuester Zeit mit grösster Sorgfalt durch
Herrn Travers genommen worden, der sie uns mitgetheilt hat.

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