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Gailhabaud, Jules; Kugler, Franz [Hrsg.]
Jules Gailhabaud's Denkmäler der Baukunst (Band 1): Denkmäler aus alter Zeit — 1852

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https://doi.org/10.11588/diglit.3501#0254

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Griechische Säulenorilnungen.

korinthischer Säulencapitelle zeigen auch wohl sculpirte Laubfascien, Flechtgurte u. dgl., die den Abacus
dieses Capitells als Junctur der Säule mit dem Epistylion näher bezeichnen. — Der korinthische Säulen-
schaft gleicht ganz, dem ionischen; bei den Säulen des Monumentes des Lysikrates aber gehen die Can-
neluren des Schaftes endlich in Blätter über, deren Mittelrippen die Stege sind, und mit einer sanften
Ueberneigung enden; aus ihnen wächst unmittelbar der Blätterkelch des Capitells hervor. Dieser organische
unmittelbare Uebergang aus dem Schafte in das Capitell hat hier den Astragalos überflüssig gemacht, der
sonst immer das Capitell der Säule dem Schafte derselben angeknüpft zeigt.

Die korinthische Säulenbasis ist entweder die attische wie am Monument des Lysikrates, der auch
wohl öfter eine Plinthos untergelegt ist, oder die sogenannte „korinthische Basis," die aus der ionischen
und attischen Säulenbasis componirt erscheint und aus Plinthus, doppeltem Torus mit dazwischen gelegtem
doppelten Trochilus besteht wie häufig an römischen Monumenten. Ihrer Composition nach ist diese „korin-
thische Säulenbasis" als eine ionische Erfindung zu betrachten, die freilich bei keinem ionischen Bauwerk
sondern nur bei Monumenten korinthischen Styls aus römischer Zeit vorkömmt.

Das Capitell der korinthischen Ante zeigt sich dem der Säule in seinen verschiedenen Arten analog
gebildet, ja die Rhabdosis des Säulenschaftes geht auch auf den Schaft der korinthischen Ante über,
desgleichen die Basis. Bei den Prothyris des Windethurms aber nehmen ionische Anten die Episfylien
der korinthischen Säulen auf.

Die Basis der Ante geht auf die Wand über und zuweilen zeigt sich auch das Capitell der Ante in
einem ähnlichen Schema als Anthemion auf die Wand, als Capitell derselben, übertragen.

Da es uns hier mehr darauf ankam, die inneren mithin wesentlichen Unterscheidungen der verschiedenen
griechischen Baustyle aufzudecken als Proportionsrezepte für ihre Verzeichnung aufzustellen, so wollen
wir die Proportionen der verschiedenen Bauordnungen hier übergehen, und nur so viel davon erwähnen,
dass wenn die dorischen Säulen 4 bis 6 untere Durchmesser selten eine grössere Höhe haben (die Säulen
des nemäischen Zeustempels zwischen Argos und Korinth haben etwas über 6{ untere Durchmesser zur
Höhe und die des Herkulestempels in Cora 9 Durchmesser; Vitruv giebt 14 Moduli also 7 Durchmesser
als Höhe dorischer Säulen an) so haben die ionischen Säulen 8 bis 9 untere Durchmesser und die korin-
thischen 9 bis 10 untere Durchmesser zur Höhe. Das Gebälk, nämlich Epistylion, Fries und Kranzgesims
zusammengenommen haben in den häufigsten Fällen 2 untere Säulendurchmesser zur Höhe; im Verhältniss
zur Säulenhöhe beträgt also die Gebälkhöhe beim dorischen Bau zwischen der Hälfte und einem Drittheil
der erstem, beim ionischen Bau zwischen einem Viertel und einem Fünftel, beim korinthischen Bau aber
ein Fünftel der Säulenhöhe. Der dorische Bau wird daher bei den kurzstämmigen Säulen den Eindruck
grösster Schwere, der korinthische Bau dagegen bei den schlanksten Säulen den der grössten Leichtigkeit
machen, der ionische Bau hält die Mitte zwischen beiden. Wir können es zulassen, dass der dorische
Bau einen männlichen Charakter, der ionische Bau als Gegensatz einen weiblichen Charakter an sich trage;
wenn aber Vitruv sagt, dass die dorische Säule nach den Proportionen des männlichen Körpers, die
ionische nach denen des weiblichen und die korinthische nach denen des schlankeren jungfräulichen Körpers
gebildet sei, wenn er weiter die Voluten des ionischen Säulencapitells mit den aufgewickelten Haarflechten
des weiblichen Haarputzes, die Rhabdosis des ionischen Säulenschaftes mit dem Gefältel des matronalen
Gewandes, die ionische Säulenbasis mit dem Schuh (calceus) vergleicht, so möchte man glauben, dass
unsere modernen Aesthetiker und Kunstscribenten von lange her datiren, besonders wenn der alte
Vitruv diesen seinen geistreichen Vergleich nicht aus sich sondern aus älteren Schriftstellern geschöpft
haben sollte, bei dem der hervorgehobene Gegensatz des Dorischen und Jonischen und der weichere, wir
möchten sagen flüssigere Character der ionischen Formen im Gegensatz zu den starren und festeren der
dorischen allein das Richtige ist. Auch die Philosophieen beider griechischen Völkerstämme zeigten diesen
gegensätzlichen Character; die dorische Philosophie stellte als Hauptaxiom auf: Alles ist fest und unver-
änderlich, die ionische: Alles ist im Fluss und stetem Wechsel unterworfen.

Die auf unserer Bildtafel mitgetheilten Beispiele sind für den dorischen Styl dem Parthenon in Athen,
für den ionischen dem Erechtheion, für den korinthischen dem Ehrenmonument des Lysikrates zu Athen,
für die Karyatide der südlichen Halle des Erechtheions entnommen.

Literatur.

Bötticher, C., Die Tektonik der Hellenen. Ister Band. Potsdam, 1844. 4. Mit Kupfern.

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