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480 Carus, Vorlesungen über Psychologie.
einer Menge Compendien über Psychologie, in welchen Joch
mit rechtem Eifer versucht wurde, Jen Schmetterling der Seele
auf ein tüchtiges Spannbret mit haltbaren Nadeln aufzustecken,
um ihn für das Naturalicncabinet der Literatur vorzurichten,
die meisten, obwohl haum vor 3o— 40 Jahren erschienen, schon
der Vergessenheit übergeben sind, während die über zweitausend
Jahre alten, Leien Dialogen des Plato noch immer ein in
vieler Hinsicht unerreichtes Muster von Betrachtungen über die
Seele, und überhaupt über so manche hohe Aufgabe der Mensch-
heit darstelle. ^ 8. VI.
Wenn wir demnach oben sagten: dals dadurch, weil der
VerL uns die Seele als den Mittelpunkt eines weiten Naturge-
mäldes darstelle, an genauer wissenschaftlicher Bestimmung man-
ches verloren gegangen sey; so verstehen wir nicht damit den
Mangel seines streng geregelten Systems,« sondern folgende un-
zulängliche und unhaltbare Seiten seiner Betrachtung:
Das erste, was wir anzumerken haben, ist, dafs nicht gleich
anfangs die menschliche Seele in ihrer bestimmten Gestalt,
wie sie sie sich als freie, inhaltsvolle Ichheit im Selbstbewufst-
seyn der Menschheit darstellt, aufgefafst, und von dieser unbe-
dingt wahren Grundanschauung ausgegangen wird. Hierdurch
geräth der Verf. auf seine vergleichende Psychologie (Vorle-
sung II.), von der wir uns keine so grofse Vortheile verspre- ?
chen; wir müssen im Gegentheil befürchten, dafs sie zur Ein-
seitigkeit in der Auffassung führt, und statt uns eine Einsicht
in die menschliche Seele zu gewähren, sie uns vielmehr den
abstracten Begriff eines allgemeineren Lebensverhältnisses giebt,
in welchen wir dann erst wieder das hincinzutragcn haben, was
wir wo andersher wissen, nämlich aus der Auffassung der in
ihrer Eigentümlichkeit dastehenden Menschenseele. Ferne sey
es von uns, eine vergleichende Psychologie verwerfen zu wollen,
wir erkennen sie gern als sehr belehrend an, nur suche sie die
acht psychologische Methode nicht zu verdrängen, sondern trete
innerhalb dieser Methode hier und da hervor, wodurch an
Lebensffischheit die Psychologie allerdings gewinnt.

(Per BescA%M/s
 
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