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626

Hoffmeister: Schillers Leben und Werke,

dem Geschäfte des Naturforschers nicht unähnlich ist, wel-
cher ein Naturprodukt zergliedert, und aus dessen Erschei-
nungen seine eigentümlichen Gesetze ableitet. Nur durch
diese besonnene Methode können wir vor der, wie es scheint,
unerschöpflichen Manier verwahrt bleiben, eines Genius Dicht-
und Denkweise durch unsere Träume zu erläutern, und seinen
Reichthum vielleicht auf unsere Armuth zu i;educiren. Der
Verf. schmeichelt sich ferner, dafs solche tiefgreifende Erör-
terungen des individuellen Menschengeistes und seiner Er-
zeugnisse für die Wissenschaft selbst nicht ohne Bedeutung
seyen. Die Seeiengeschichte eines einzigen Menschen ist
ein Analogon der Entwickelung des Menschengeistes über-
haupt; und so enthält dieses Buch so ziemlich eine ganze und
zwar eine leberidige, konkrete Aesthetik und Hr. H. meint,
in einigen wichtigen Punkten diese Wissenschaft weiter ge-
führt zu haben. (8. VI—IX.)
Wir wollen nach diesen Andeutungen der Vorrede un-
sern Lesern einen Ueberblick über die geistige Ausbeute,
welche ihnen diese ausgezeichnete Schrft verspricht, zu ge-
ben versuchen, wobei wir das aus einer Menge jedoch all-
gemein bekannter Quellen mit unglaublichem Fleifse gesam-
melte Biographische nur so weit berühren, als eine kleine
Lücke durch unsre Anzeige ausgefüllt, oder ein Irrthum be-
richtigt werden kann. Ehe jedoch dieses geschieht, versa-
gen wir uns nicht, noch folgende im höchsten Grade beher-
zigenswerte Betrachtung aus der Vorrede (8. X und XI)
wörtlich mitzutheilen:
„Viele Schriftsteller unserer jüngsten Zeit trachten nach
nichts so sehr, als tief zu scheinen; andern ist das Geist-
reiche ihr höchstes Ziel. Beiderlei Tendenzen verderben
unsere Literatur immer mehr. Ich meine der Mann von Cha-
rakter strebt vorzüglich darnach, wahr zu seyn und klar
zu schreiben. Dafür soll er einstehen, und das vor allem An-
dern ehrt ihn. Nicht allein die Wahrheit, sondern auch der
Wahn wohnt oft in der Tiefe und die einfachste Thatsaehe
fördert mehr, als der tiefhergeholte Irrthum. Auch kann nur
das Anspruch auf Tiefe machen, was bis auf seinen Grund
klar ist; während das Dunkle immer im Verdacht des Seich-
ten stehen wird. Aber geistreich zu scheinen ist demjenigen
nicht schwer, welcher sich in dem, was er vorbringt, weder
durch die Wahrheit noch durch die Ehre beschränkt fühlt.
 
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