N°. 63. HEIDELBERGER 1839.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Volger: Leitfaden and Abriss der Weltgeschichte.
(Beschluf s.)
1. Dem I. Cursus des Volger’schen Lehrbuchs der Ge-
schichte ist hie und da der Vorwurf gemacht worden, dass
es ohne Rücksicht auf die katholischen Schüler bei gemisch-
ten Anstalten, dem Protestantismus, wo sich die Gelegenheit
darbiete, zu sehr das Wort rede, und man hat daher an man-
chen Orten, wo das Buch eingeführt war, es für rathsam er-
achtet, dasselbe von den Lehranstalten zu entfernen. Wenn
nun gleich lief, eine solche Vorsicht bei einem sonst brauch-
baren Buche für kleinlich und übertrieben hält, und es ihm
ungerecht dünkt, wegen eines Vorwurfs, der nur einem ein-
zigen Kapitel gemacht werden kann, das ganze Lehrbuch zu
verwerfen, so kann er doch nicht läugnen, dass für ge-
mischte Anstalten manches mehr als ruhige, farblose Er-
zählung des Ereignisses hätte dargestellt werden sollen, als
dass der Verf. eine bestimmte Ansicht hervorleuchten liess,
und dadurch dem IJrtheil des Lehrers und selbst des den-
kenden Schülers Vorgriff. So wenig Ref. der Farblosigkeit
des Historikers im Allgemeinen unbedingt das Wort reden
möchte, und es vielmehr als einen edlen Zug desselben an-
erkennt, wenn er seine Ansicht, in so fern sie von den ho-
hem Gesetzen der Wahrheit und Gerechtigkeit bestimmt,
nicht aber durch diese oder jene Parteimeinung bedingt ist,
mit Wärme ausspricht, und den Bedrängten und Unterdrück-
ten in Schutz nimmt, so verwerflich findet er jede subjectiv
ausgesprochene Ansicht, jedes individuelle Urtheil, das nur
von ferne Unparteilichkeit gränzen könnte, bei Schulbüchern,
besonders für den ersten Unterricht. Jede Parteiansicht in
der Politik, jeder Confessionsglaube in der Religion begrün-
det eine gewisse Engherzigkeit, während des Knaben wei-
ches und empfängliches Gemüth zunächst dem rein Mensch-
lichen geöffnet werden soll, damit die Menschenliebe für alle
Zukunft die Grundlage seines Urtheils bilde und sein Herz
XXXII. Jahrg-. 10. Heft. (J3
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.
Volger: Leitfaden and Abriss der Weltgeschichte.
(Beschluf s.)
1. Dem I. Cursus des Volger’schen Lehrbuchs der Ge-
schichte ist hie und da der Vorwurf gemacht worden, dass
es ohne Rücksicht auf die katholischen Schüler bei gemisch-
ten Anstalten, dem Protestantismus, wo sich die Gelegenheit
darbiete, zu sehr das Wort rede, und man hat daher an man-
chen Orten, wo das Buch eingeführt war, es für rathsam er-
achtet, dasselbe von den Lehranstalten zu entfernen. Wenn
nun gleich lief, eine solche Vorsicht bei einem sonst brauch-
baren Buche für kleinlich und übertrieben hält, und es ihm
ungerecht dünkt, wegen eines Vorwurfs, der nur einem ein-
zigen Kapitel gemacht werden kann, das ganze Lehrbuch zu
verwerfen, so kann er doch nicht läugnen, dass für ge-
mischte Anstalten manches mehr als ruhige, farblose Er-
zählung des Ereignisses hätte dargestellt werden sollen, als
dass der Verf. eine bestimmte Ansicht hervorleuchten liess,
und dadurch dem IJrtheil des Lehrers und selbst des den-
kenden Schülers Vorgriff. So wenig Ref. der Farblosigkeit
des Historikers im Allgemeinen unbedingt das Wort reden
möchte, und es vielmehr als einen edlen Zug desselben an-
erkennt, wenn er seine Ansicht, in so fern sie von den ho-
hem Gesetzen der Wahrheit und Gerechtigkeit bestimmt,
nicht aber durch diese oder jene Parteimeinung bedingt ist,
mit Wärme ausspricht, und den Bedrängten und Unterdrück-
ten in Schutz nimmt, so verwerflich findet er jede subjectiv
ausgesprochene Ansicht, jedes individuelle Urtheil, das nur
von ferne Unparteilichkeit gränzen könnte, bei Schulbüchern,
besonders für den ersten Unterricht. Jede Parteiansicht in
der Politik, jeder Confessionsglaube in der Religion begrün-
det eine gewisse Engherzigkeit, während des Knaben wei-
ches und empfängliches Gemüth zunächst dem rein Mensch-
lichen geöffnet werden soll, damit die Menschenliebe für alle
Zukunft die Grundlage seines Urtheils bilde und sein Herz
XXXII. Jahrg-. 10. Heft. (J3