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658

Gfrörer: Geschichte des Urchristenthums.

neuere Erklärer — wie es unter uns Deutschen immer zu
geschehen pflegt — zu einem allgemeinen Grundsatz erhoben
{[denn System mufs bekanntlich bei uns Alles seyn), und sich
unterfangen, fast die ganze Geschichte Jesu aus Stellen des
alten Testaments, welche die Evangelisten angeblich umge-
deutet haben sollen, umzuhämmern. Dem Uebel mufs daher
ein Damm entgegengeworfen werden, dessen Bausteine in
der That im Wege liegen. Das alte Testament enthält ei-
nige Weissagungen, die von den Verfassern selbst unwider-
sprechlich auf den Messias bezogen werden, noch viel meh-
rere sind darin, die von den Juden zur Zeit Jesu allgemein
auf den Ersehnten gedeutet wurden. Es ist nur zu gewifs,
dafs diese beiden Arten von Weissagungen den mächtigsten
Einflufs auf die Darstellung der evangelischen Geschichte
geübt haben, und ein guter Theil des vorliegenden Werkes
hat den Zweck, den bezeiehneten Einflufs nachzuweisen.
Weiter gibt es im alten Testamente eine Menge von Stellen,
die zwar von den Jiiden nicht auf ihren Messias bezogen
worden sind, aber doch von einer starkgläübigen Parthei so
verstanden werden konnten, und welche zum Theil die Kir-
che des zweiten Jahrhunderts so genommen hat. Dafs die-
ses so geschah, mufste einen hinreichenden Grund haben,
welcher, weil die Deutung selbst den hergebrachten An-
sichten der Juden zuwider ist, nur in einer Thatsache
gesucht werden kann. Wenn z. B. Johannes erzählt, die
Kriegsknechte hätten um Christi Deibrock gewürfelt, auf
dafs der Spruch Ps. 22, 19 erfüllet würde , oder wenn er
sagt: Christo sey das Bein nicht zerbrochen worden, wegen
der Stelle Exod. 12, 46., und die Kriegsknechte hätten nach
ihm gestochen, um der Prophezeihung Zachar. 12, 10 willen,
so ist klar, dafs die That sache früher und älter seyn mufs,
als die alttestamentliche Deutung derselben ^ denn wie wäre
es sonst begreiflich, dafs auf Christum Stellen bezogen wur-
den, die doch sonst kein Mensch so verstand, und auch ohne
äufsere Anlässe nie so verstehen wird.“ — Durch diese
Auszüge wird es deutlich, in wieweit Hr. Gfrörer die mythi-
sche Erklärungsart des Hrn. Straufs annimmt, und inwiefern
er sie verwirft. Seine desfalsigen Unterscheidungen scheinen
uns durchaus wohlbegründet, besonnen und ächt histörich zu
seyn. Keine theologische Parthei wird zu Jäügnen vermögen,
dafs der Verf. alle Incidenz-Punkte unbefangen gegen ein-
 
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