Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
802 Schleiermacher's System der Sittenlehve.
sittlicher Bedeutung bilden diejenigen Menschen, die durch Iden-
tität der Sitte in einen Verkehr der freien Geselligkeit treten
können. Biese tritt in dem Maasse ein, als sich die persön-
liche Eigentümlichkeit aus der Masse heraushebt. Die durch
die bestimmte Bildungsstufe oder den Stand bedingte Einheit
ist die Sitte, die sich als Hofsitte, Weltsitte, Volkssitte dar-
stellt. Die freie Geselligkeit ist an das Haus und den Wirth
gebunden 5 wenn sie eine Art von öffentlichem Leben wird,
so wird sie abnorm. Die Grundlage der freien Geselligkeit
ist die Freundschaft, deren letztes Princip das Gefühl ist.
Hier tritt vollkommene Offenheit ein, und alle Zurückhaltung
ist aufgehoben. In der Freundschaft hat man das Combina-
tions-Gesetz schon im Gefühl und gebraucht nur die Indivi-
dualität als Organ für das Universum. Die Kenntniss jedes
Individuums ist ein eigenes Organ für die Kenntniss des Uni-
versum’s. Wie zwischen mehreren Staaten und Kirchen die
^Gemeinschaft von der freien Geselligkeit ausgeht; so kom-
men die verschiedenen Sphären der letzteren in Gemeinschaft
durch das Einsseyn im Staate und der Kirche. Das Wesen
der Kirche besteht in der organischen Vereinigung der unter
demselben Typus stehenden Masse zur subjectiven Thätig-
keit der erkennenden Function unter dem Gegensatz von
Clerus und Laien. Die höchste Tendenz der Kirche ist die
Bildung eines Kunstschatzes, an weichem sich das Gefühl
eines Jeden bildet, und in welchem Jeder seine ausgezeich-
neten Gefühle niederlegt, und die freien Darstellungen sei-
ner Gefühlsweise, die Andere sich aneignen können.
Nach Schleiermacher’s Ansicht ist die Familie die Grund-
lage aller ethischen Sphären: des Staates,\der Kirche, des
wissenschaftlichen und des allgemein geselligen Verbandes
(S. 168—170 und 269). Das sittliche Einzelwesen ist nur
ein einzelnes und einseitiges Abbild des höchsten Guts we-
gen seiner Geschlechts-Einseitigkeit. Das erste wahre Ab-
bild ist die Familie. Das Volk ist eine noch höhere Persön-
lichkeit. Die höchste bestimmte Form der sittlichen Gemein-
schaften ist die Einheit der menschlichen Gattung (S. 168—
170). Offenbar sind in dieser Ethik die Keime zu einer
wahren Dialektik der ethischen Begriffe, Formen und Sphä-
ren. Es wird vom Einzelnen und Besondern zum Allgemei-
nen fortgegangen, vom einzelnen Menschen zum Volk und
 
Annotationen