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Nr. 34.

HEIDELBERGER

1854.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Schildener» Der Process der Weltgeschichte.
(Schluss.)
Der Hr. Verf. fühlt das Gewicht dieser Widersprüche und nennt
darum auch selbst diese Position im Gollesbegriffe, das „Wollen der
Geschichte, „einen Anthropomorphismus.“ Es müsste also, wenn
dieses ein Anthropomorphismus ist, streng genommen, auch daä
Wollen der Geschichte aus dem Gollesbegriffe hinaus. Was
soll aber ein Golt, der weder weiss, noch ist, noch will?
Er nennt ihn das primum movens der Geschichte, betrachtet ihn aber
nicht mit Aristoteles als ein immotum. Golt ist der „Beweger
der Geschichte“ und „selbst bewegt erscheinend“ (sic.) „führt er
das Bewusstsein zu sich als den Beweger zurück.“ Was ist aber
das Wesen dieses Bewegers? Das bestimmt der Hr. Verf. nirgends,
so wenig irgendwo bestimmt wird, was das Wesen sei, das die
Geschichte wolle. Er meint, man könne die „formale Natur Gottes
nur durch Anthropomorphismen“ bestimmen, also, wie er beisetzt,
„nicht begreifen, nicht ausdrücken.“ Da auch Gott in
und mit der Geschichte sich entwickelt, also bewegt wird, kann man
ferner mil Recht fragen, ob denn ein Bewegtes nicht ein Abhängi-
ges, Bedingtes, also schon durch sich selbst ein den Gottesbegriff
Authebendes sei? Ein Gott, der wird, ist eben noch kein Gott, so
lange er wird. Damit man ihn Golt nenne, muss er sein, und
Aristoteles, der in dieser Schrift bekämpft werden soll, hat ge-
wiss Recht, wenn er die Ansicht hat, dass Golt zwar das Princip
der Bewegung aller Dinge sei, aber dass dieses unmöglich mehr
bewegt werden könne, weil es sonst aufhören würde, Princip der
Bewegung zu sein.
Von der materiellen Natur der Geschichte versucht nun die
Schrift auf Gottes „materielles Wesen“ zu schliessen QS. 200),
so weit dieses „durch das Dasein der Geschichte eine Beziehung
auf uns hat.“ Geist und Bewusstsein haben nicht nur Geschichte,
sondern „sie machen und sind Geschichte.“ „Ihr Sein ist dies: zu
werden, zu geschehen. Das Werden aber verrinnt nicht in eine
Einheit und Allgemeinheit des Geistes, sondern entzündet sich an
dieser zu neuen Individualitäten“.... „Dieses Bewusst- oder Selbst—
bewusstwerden ist nur in den lebendigen Individuen und ist das
immer liefere Hervorarbeiten ihres Selbst mit dem ganzen Reichthum
seiner Kräfte“... „Somit, wenn Gott die Geschichte will, will er
das Ausleben und die Entwicklung der Individuen, das immer tiefere
Erzeugen und immer reichere Entfalten ihres Selbst in Selbslerkennt-
niss und Selbstbethätigung. Was aber das Selbst, die Freiheit und
LXVII, Jahrg·. 4. Doppelheft. 34
 
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