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Nr. 43. HEIDELBERGER 1854.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Fraueiistädtt Briefe über <lie Schopenbauer’sclie
Philosophie.
(Schluss.)
Es ist wahr, dass wir als Subjecle von den Dingen nur durch
Vorstellungen wissen, worauf schon Berkeley hinwies, und was er
in seiner Weise mit Ausnahme der Stellung des Goltesgeisles zum
vorstehenden Menschengeiste consequent durchführte; es ist eben so
wahr, dass wir von den Dingen nur sprechen können, wie wir sie
uns vorstellen, was schon Kant in seiner transcendentalen Aeslhetik
und Logik in anziehender Weise entwickelte, dass wir also von
diesem Standpunkte nur vom Dinge in der Erscheinung, nicht vom
Dinge an sich sprechen können, und dass eben dieses Ding in der
Erscheinung das Ding ist, das wir uns vorstellen. Weil wir aber
von diesem Dinge nur durch Vorstellung wissen, folgt noch nicht,
was auch schon Berkeley daraus folgern wollte, dass das Ding
in der Erscheinung eben nichts, als „Vorstellung“ sei. Ein
Anderes ist das erscheinende Dmg und ein Anderes die Action,
durch welche das Ding in uns zur Erscheinung kommt, die Vorstel-
lung. Die Vorstellung ist eine Action des Vorstehenden oder Er-
kennenden, des Subjects, des Ichs; sie ist und bleibt also innerlich
und subjecliv. Das Ding, das wir vorstellen, ist Gegenstand der
Action des Verstellens, ist mehr, als eine blosse Handlung oder Thä-
tigkeit, ist eben ein Ding. Die Vorstellung ist nicht Subject;
denn sie ist nicht das Vorstehende, sondern die Handlung des Vor-
stehenden; sie ist auch nicht Object, sondern das Vorgestellte,
das, womit sich die Handlung des Vorstehenden beschäftigt. Die
Vorstellung des Pflugs ist nicht das pflügende Subject; denn die Vor-
stellung als innere Handlung des Vorstehenden pflügt nicht; sie ist
aber auch nicht das Ding, das Object, der Pflug selbst. Denn mit
einem idealen Pflug, mit einer Vorstellung des Pflugs, den man wohl
von dem realen Pfluge, oder dem Pfluge als Ding unterscheidet,
wird niemals gepflügt. So macht Herr S. mit Berkeley unrichtig
die Handlung des Subjects zum Objecte. Wenn er sagt, dass nichts
den gewöhnlichen oder gesunden Menschenverstand mehr beleidige,
als die Annahme, dass die objeclive Welt nur in der Vorstellung
Realität habe, dass sie nur eine „ideelle“ oder „gedachte“ sei, hat
er ganz Recht; aber eben dieser Umstand hätte ihn in der Behaup-
tung einer solchen, dem einstimmigen vernünftigen Bewusstsein der
Menschheit widersprechenden Lehre vorsichtig machen sollen. Schon
die Vorstellung spricht als geistige Handlung des vorstellenden Sub-
jects, welche die Wirkung eines äussern Objects aufnimmt, den Un-
XLYII, Jahrg. 5. Doppelheft. 43
 
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