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Nr. 45. HEIDELBERGER 1854.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Gerhardt Griecfcfsrlae Mythologie.

(Schluss.)
Sie sind also sämmllich olympische Gottheiten. Demeter kann so
wenig eine Unterweltsgollheit genannt werden, als Aphrodite, die ja
auch in Delphi als επιτύμβια verehrt wurde. Nicht einmal Kora ist im
Gegensatz zu den olympischen, unter denen sie zwei Drittheile des Jah-
res weilt, als chthonische Göttin aufzufassen. Setzt man vollends den
lebensfrohen Weingott Dionysos in die Classe der finstern unterirdi-
schen Gottheiten, weil die Fabel ihn auch als einen getödteten kennt,
so musste man aus demselben Grunde den Hermes, welchen das Elym.
Μ. p. 336 Lips. gleichfalls χθόνιος und Cicero sub terris nennt, ja
auch den Zeus, welchen die lliade als καταχθόνιος aufführt, nach
dieser Logik in die gleiche Classe versetzen. Unrichtig ist die Be-
hauptung S. 474, Dionysos sei im gebildetsten Griechenland an die
Stelle des furchtbaren Hades getreten: der ägyptisirende Heraklit
identificirt zwar den Dionysos-Osiris mit Hades; allein diese gelehrte
Privatansicht ist so wenig in den Volksglauben übergegangen, als
wenn Aeschylus aus gleichem Grunde die Artenus (Bubastis) zu
einer Tochter der Demeter (Isis) macht. Die vermischten Gott-
heiten vollends sind vorn Verf. regel- und haltlos an einander ge-
reiht. Licht und Ordnung kann unmöglich in die Mythologie kom-
men, bis man sich entschliessen wird, die einzelnen Götter nach der
in ihnen ausgeprägten Religionsidee, somit nicht mechanisch und
zufällig, sondern begrifflich einzulheilen. Kehrt dann auch dieselbe
Gottheit an mehreren Stellen des Systems wieder, so verschlägt
diess nichts, so fern dadurch eine lebendige Gliederung des grie-
chischen Götterhimmels hergestellt wird, so fern es mehr um Er-
kennlniss des Geistes der alten Religionen als um blossen Wort-
kram zu lliun ist. Sind in den griechischen Göttern und den
religiösen Mythen Ideen ausgedrückt, so sind sie nach diesen
personificirten Ideen und nicht nach Namen oder Luft und Gewölk
zu ordnen.
Indessen die schwierige Aufgabe ist eben, ihre eigentümliche
Idee aufzufassen, und die Lösung dieser Frage ist gerade nach der
herkömmlichen Weise unmöglich. Die Gottheiten haben in dem vor-
liegenden Handbuche keine ausgeprägten Charaktere, sondern Alles
fliesst in einander. Wie kann man sie so systematisch ordnen und
auseinander halten, überhaupt ein Religionsgebäude aufführen? Wir
begegnen immer aufs neue Himmels-, Licht-, Luft-, Erd-, Wasser-,
Feuer- und mitunter finstern unterirdischen Mächten und Geistern,
so dass man ungewiss wird, ob man sich mehr über den heidni-
XLYII, Jahrg. 5, Doppelheft. 45
 
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