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Nr. 36. HEIDELBERGER 1854.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Ferdinand, Walter Lehrbuch des Kirchenrechtes aller christlichen
Confessionen. Elfte Ausgabe. Bonn, bei Marcus, 1854.
Das siebenzehnte und achtzehnte Jahrhundert waren sehr ge-
fährlich für die katholische Kirche: die Einheit, welche ihr Princip
ist, in der Hierarchie, Liturgie, wurde angegriffen durch einen ge-
waltigen Gegner der freilich sich selbst befeindenden Nationalitäten
und des politischen Patriotismus: So sprechen heute noch Viele von
dem Kampfe des Germanismus mit der Kirche oder dem Romanis-
mus fwie sie es nennen}: aber es war vorauszusehen, dass ein
Rückschlag erfolgen werde nach den ewigen Gesetzen der Geschichte.
Bei einer Neugestaltung menschlicher Ansichten muss vorerst die
bis hierher herrschende Gemeinmeinung wenigstens insoweit beseitigt
werden, damit die neuere Ansicht auch gehört wird. Geschieht die-
ses, so geben sich Freunde und Feinde des einen und andern Sy-
stems ihre Namen zuerst mit Verachtung, dann mit Achtung: die
letztere wurzelt freilich vorerst in der Gleisnerci, d. h. man wünscht,
dass der Gegner wenigstens zur Hälfte seinen Feinden angehöre,
zuletzt in Aufrichtigkeit. Dieser letztem Richtung, wo man nicht
mehr die indifferentistischen und die wahren Katholiken unterschei-
det, sollen wir entgegengehen, dann wird besserer Friede in der
Well herrschen. — Der Verfasser dieses Buches, wie wir alle, ein
Diener seines Jahrhunderts, halte in Heidelberg canonisches Recht
in einer Zeit gehört, wo es nur von protestantischen Lehrern vor-
getragen war, während kurz zuvor gerade hier berühmte katho-
lische Canonislen gelehrt hatten, unter andern der gelehrte Kübel,
der in seinem Werke (^exercitium canonicum de malrimonio) über
das Dispensationsrecht in der Kirche die Anhänger des Episcopalsy-
stems wieder zu Schande gemacht hatte. Walter’s Genie zeigte
sich schon in seiner ersten Ausgabe, und der sehr erfahrne Zacha-
riä pflegte zu sagen, er freue sich, einen so tüchtigen Canonisten
zu seinem Schüler gehabt zu haben. Der Verfasser konnte wohl
den ursprünglichen Plan nimmer ganz verändern, wie dieses bei
neuen Ausgaben niemals der Fall ist, aber die vielen Auflagen ha-
ben dem Buch einen so grossen Werth gegeben, wie wenn drei
verschiedene Geisler daran gestrebt hätten. In dieser Beurtheilung
soll nur davon gesprochen werden, inwieweit das Buch die alle
Richtung beibehalten, und was andrerseits daran neu geworden ist.
Das System ist beibeballen und kann nicht verändert werden,
einmal, weil das Buch nur Kirchenrecht ist, und nicht das vollkom-
mene canonische Recht enthält, was deshalb geboten war, weil
das Recht aller andern christlichen Confessionen, was eben nur ver-
LXVII, Jahrg. 4. Doppelheft, 36
 
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