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Nr. 55. HEIDELBERGER 1854.


Ifiu-fiaais JLo stato SSosaXano.
(Schluss.)
Im Parlament kannte man diesen Zwiespalt und es bildeten sich
dort zwei heftige Parteien, eine für den Papst und eine für Ma-
miäni. Die Antwort der Kammer auf die Eröffnungsrede der Re-
gierung schürte das Feuer noch mehr an. Die Kammer bestand
dringend auf dem Unabhängigkeitskrieg, während der Papst öffentlich
erklärt halte, dass er keinen Krieg wolle und für den Frieden
arbeite. Die Replik des Papstes zeigte deutlich, in welche Fesseln
er damals schon geralhen war. Er verfasste sie ohne Wissen der
Minister, ignorirte offiziell das ganze Programm der Minister, das
sie in der ersten Sitzung vorgelesen hatten, und doch war seine
ganze Replik nur eine tadelnde Censur dieses Programms. Der
Kampf dieser Parteien zog sich natürlich bald hinaus in das Volk,
in die Klubs und in die Zeitungen, und wurde dort mit so wenig
Besonnenheit und Anstand geführt, wie in der Kammer. Die San-
fedisten liessen die Gelegenheit nicht unbenutzt. Der französische
Univers nahm die unverschämtesten Schimpfartikel gegen die Mini-
ster auf, welche übersetzt, abgedruckt und in den Provinzen ver-
thcilt wurden..
Die geheimen Intriguen und Öffentlichen Hetzereien thaten ihre
Wirkung. Durch das ganze Land bildeten sich Klubs und Kriegs-
comites, welche eine immer drohendere Sprache führten und sich
von Mamiani nicht mehr beineislern liessen. Die vielen von der
Po-Armee desertirten Freiwilligen vermehrten die Unordnung und
politische Mordlhaten häuften sich, in den Marken. Die zweite Be-
setzung Ferrara’s durch die Oesterreicher und ihr Streifzug nach
Bologna vollendete die Auflösung aller Disciplin und aller Gesetze.
Der Papst liess eine Protestation an alle europäischen Mächte absen-
den, bestand aber seinem Land gegenüber auf der Erhaltung des
Friedens. In der Kammer dagegen setzten die Volkschefs in einer
äusserst stürmischen, oft vom Tumult der rasenden Menge unter-
brochenen Sitzung ihren Willen durch, man erklärte das Vaterland
in Gefahr, sprach von Volksbewaffnung und Krieg gegen Oester-
reich; man schickte eine Deputation an den Papst, um ihn zu be-
schwören, seine Einwilligung zur Aushebung eines Corps von Frei-
willigen, einer Fremdenlegion und zur Erhebung ausserordentlicher
Geldmittel zu geben. Da die Deputation eine ausweichende Antwort
zurückbrachle, wurde sie vom Volkshaufen so insullirt, dass der
Kammerpräsident sogleich seine Stelle niederlegte und von Rom
abreiste. Unter diesen Umständen nahm und erhielt das Ministerium
LXYII. Jahrg. 6. Doppelheft 55
 
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