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Nr. 31. HEIDELBERGER 1862.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Johann Gottlieb Fichte's Leben und literarischer Briefwechsel. Von
seinem Sohne Immanuel Hermann Fichte, Zweite sehr ver-
mehrte und verbesserte Auflage. Erster Band. Das Leben. Mit
dem Bildniss Johann Gottlieb Fichte’s. Leipzig. F. A. Brock-
haus, 1862, XIV S. und 463 S. Zweiter Band. Actenstilcke
und literarischer Briefwechsel VIII S. und 582 S. gr. 8.
Keine Zeit hat den Grundgedanken der Fichte’sehen Philo-
sophie, den Gedanken der persönlichen Freiheit des Menschen als
der endlichen Offenbarung des absoluten oder göttlichen Lehens
mehr zur Entwickelung gebracht, als die unsrige. Alle Bestrebun-
gen derselben beziehen sich auf die politische und religiöse Frei-
heit, auf Hebung aller den materiellen und ideellen Verkehr hem-
mender Schranken auf der Grundlage wahrhaft gesetzlicher Ordnung.
Aber nicht nur die persönliche Freiheit ist es, welche man in
unserer Zeit anstrebt. . Die Völker fühlen sich als Ganzes, sie er-
kennen immer mehr und mehr den Beruf, als Entwickelungsmomente
der Idee der sich ins Unendliche vervollkommnenden freien Men-
schenwürde sich zu einer festen und nach Aussen und Innen zu-
sammenhaltenden Einheit des Lebens und Wirkens auf dem Boden
einer alle Stämme umfassenden konstitutionellen Verfassung zu ver-
binden. Gesetzliche Freiheit und Einheit unseres Volkes sind die
Zielpunkte aller Gedanken der Besseren unserer Zeit. Daher stammt
jene Theilnahme, die sich nicht nur von Seite der Gelehrten unse-
res Vaterlandes, sondern von dem Kerne desselben, dem Bürger-
stande, bei allen dem Andenken der Heroen Deutschlands, der Vor-
kämpfer für deutsche Einheit und Freiheit geweihten Feste in so
erfreulicher Weise zeigt. Ein solches Fest war dei’ 19. Mai dieses
J ahres, an welchem vor hundert Jahren JohannGottliebFichte
geboren wurde. Ein solches Fest war die Erinnerung an den hun-
dersten Geburtstag Schillers (10. Novbr. 1759). Die Bedeutung,
welche Schiller als Dichter hat, kommt auch unserem Fichte
als Denker zu, und die Stelle, welche jener im Herzen unseres
Volkes einnimmt, hat auch dieser durch ähnliche Bestrebungen
und Leistungen erreicht.- Jener sprach im Bilde der Dichtkunst
und der geschichtlichen Darstellung diejenigen Gedanken aus,
welche dieser in der auf die letzten Gründe aller Erkenntniss
zurückgehenden Wissenschaft entwickelte. Darum feierten nicht
nur alle Hochschulen unseres grossen, noch immer geth eilt en Vater-
landes (mit wenigen beklagenswerthen Ausnahmen) einmüthig den
hundertsten Geburtstag Fichte’s, sondern alle grossen und kleinen
Städte desselben und selbst einzelne des Auslandes veranstalteten
LV. Jafcrg. 7. Heft. 31
 
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