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Fichte’s Leben und Briefwechsel.

im weiten Kreise einer gesinnungstüchtigen Bürgerschaft Erinne-
rungsfeste an einen cler grössten und edelsten Deutschen.
Viele Reden von eindringlicher Kraft wurden hei dieser Ge-
legenheit gehalten und durch den Druck verbreitet. Sie zeigten
nach ihrem Inhalte und nach ihrer Aufnahme, wie sehr das im
Geiste der Deutschen zur Wahrheit geworden war, was Fichte
erstrebte, der Gedanke einer freien und einheitlichen Entwickelung
unseres Volkes.
Das bedeutungsvollste und bleibendste literarische Denkmal,
das dem grossen Philosophen an seinem Ehrentage gesetzt wurde,
ging von seinem einzigen Sohne, Immanuel HerrmannFichte,
einem um die Wissenschaft seines Vaters hoch verdienten akade-
mischen Lehrer und Schriftsteller, aus. Schon im Jahre 1830 er-
schien dieses Buch, das uns jetzt in erneuter, bedeutend vermehr-
ter und verbesserter Gestalt zur Anzeige vorliegt. Schon beim
ersten Erscheinen desselben sprachen sich alle Urtheilsfähigen auf
das Günstigste über seinen hohen Werth aus. Da sich mit der
wachsenden politischen, wissenschaftlichen und religiösen Reife der
Zeit die Theilnahme am Leben und Wirken dieses grossen Denkers
so bedeutend vermehrt hat, so muss sich diese natürlich auch in
erhöhtem Grade auf ein Buch erstrecken, das aus den ersten Quel-
len, Fichte’s Werken und seinen und seiner Zeitgenossen Briefen,
seine thatenreiche, dem Heile des Vaterlandes geweihte Wirksam-
keit von allen Seiten in anziehendster Weise darstellt.
Nicht so günstig gestalteten sich für dessen Auffassung die
Verhältnisse, als die erste Ausgabe desselben erschien. Damals
lebte Hegel noch, der bald darauf (14. Nov. 1831) starb. Man
hielt sich in jener Zeit von Seite der philosophischen Fachwissen-
schaft mehr an die Worte des Meisters, als dass man seine Ge-
danken verstand und zu demjenigen verwerthete, wozu alle philoso-
phischen Forschungen benutzt werden sollten, zum Anregen, Wei-
terforschen und Aufbauen auf den Grundsteinen des einmal Er-
rungenen. Es bildete sich im Althegelthum ein verknöchernder und
verknöcherter Formalismus, den man theologischer Seits als eine
Hauptstütze religiöser Ueberrechtgläubigkeit verwenden wollte. Von
vielen eifrigen Jüngern der althegelschen Schule, welche mehr in
den Buchstaben als in den Geist des Systems drangen, wurde nach
Hegel’s Tode in den „Berliner Jahrbüchern für wissenschaftliche
Kritik“ nichts Neues zu Tage gefördert, sondern, anstatt in den
Kern der Lehre zu dringen, hielt man sich an die saftlose Schaale
und gab diese für die Hauptsache des FI eg el’schen Lehrgebäudes
aus. An dieser 'Schaale zu rütteln hielt man für eine Sünde gegen
den heiligen Geist der Wissenschaft. Man glaubte, mit dem
Hegel’schen Formalismus ohne das eigentliche Verständniss seines
Markes die Geschichte der Philosophie abgeschlossen und den
Höhepunkt menschlichen Wissens erstiegen zu haben; auch fand
man eher in dem buchstäblichen Nachbeten der Worte und An-
 
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