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Nr. 55.

HEIDELBERGER

1862.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Literaturberichte aus Italien.

Der unermüdliche Gelehrte Cantu hat die Wissenschaft wie-
der mit einem geistreichen Werke bereichert, nämlich:
Beccaria, e il diritto penale, Saggio di Cesare Cantu. Firenze 1862.
presso Barbera. 8. p. 466.
Diese Studien über Beccaria und das Strafrecht überhaupt
hat der Verfasser dem in der gelehrten Welt auch jenseits der Alpen
wohlbekannten Geschichtschreiber der Gesetzgebung in Italien, dem
Staatsminister Grafen Sclopis zu Turin gewidmet, welcher jetzt
mit allgemeinem Beifall das Amt des Präsidenten des Senats des
Königreichs Italien verwaltet. Der Verfasser des vorliegenden
Werkes zeigt, wie man sich lange mit dem römischen Rechte be-
holfen hatte, bis Carl V. mit seiner peinlichen Halsgerichts-Ordnung
den inquisitorischen Prozess und das heimliche Verfahren einführte,
das mit aller Grausamkeit, ohnerachtet der christlichen Liebe, aus-
geführt wurde. Der Verfasser führt an, mit welchem Raffinement
die Todesstrafen so grausam als möglich vollzogen wurden; z. B.
bei Damiens, unter dem allerchristlichen Ludwig XV. Die Scharf-
richter hatten ihre bestimmten Tage für alle Arten der Martern, so
auch in Mailand für das Ausstellen am Pranger, dort Berlina ge-
nannt, ein Wort das die Longobarden, wie man dort sagt, aus der
Gegend von Berlin mitgebracht haben. Die Etymologen werden
wissen, wovon die Stadt Berlin ihren Namen hat, und warum der
Pranger in der Lombardei Berlina heisst. Noch im Jahr 1774
wurde einem Franciskaner, welcher dem Kloster entlaufen, Räuber
geworden war, und viele Kirchen bestohlen hatte, in Mailand, ehe
er gehangen wurde, die Hand abgehauen, weil er besonders Kirchen
bestohlen hatte. Damals war der Markgraf Cäsar Beccaria zu Mai-
land bereits mit seinen menschlicheren Ansichten aufgetreten, er
hatte als reicher junger Mann in Pavia studirt, nicht um von der
Wissenschaft zu leben, sondern um für dieselbe zu leben. Als
Doctor der Rechte verband er sich mit andern jungen vornehmen Leuten,
statt zur Befriedigung von nobeln Passionen, zur Herausgabe einer
Zeitschrift, welche gegen solche Grausamkeiten ankämpfte. Schon 1764
hatte Beccaria sein berühmtes Buch über Verbrechen und Strafen
drucken lassen. Der gelehrte Hr. Cantu zeigt, dass schon vor Beccaria
Manche ähnliche menschliche Gesinnungen geäussert hatten; als aber
LV. Jahrg, 11. Heft. 55
 
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