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Nr. 46. HEIDELBERGER 1862.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Analekten der mittel- und neugriechischen Literatur. Herausge-
geben von A. Elli ss en. Fünfter Theil. Anecdota Graeco-
barbara. II. Belthandros und Chrysantza. Griechisch und
deutsch, mit Einleitung und Anmerkungen. Leipzig. "»Verlag
von Otto Wigand 1862. 258 S. in 12. Auch mit dem beson-
dern Titel:
Belthandros und Chrysantza. Neugriechisches Gedicht aus
dem Mittelalter. Nach der Pariser Handschrift herausgegeben
und übersetzt, mit Einleitung und Anmerkungen von A. Ellis s en.
Wir haben bei der Anzeige des vierten Bandes dieser Ana-
lekten (s. diese Jahrb. 1861 Nro. 1) hingewiesen auf die Wichtig-
keit und Bedeutsamkeit der durch die Bemühungen des Heraus-
gebers uns vorgeführten und so trefflich bearbeiteten Erzeugnisse
der späteren, mittelalterlichen Literatur Griechenlands, welche noch
so wenig im Ganzen bekannt, und noch weniger bearbeitet, doch
schon darum unsere volle Aufmerksamkeit verdient, weil sie, selbst
abgesehen von Allem Anderen, in der Geschichte der Literatur,
und zwar nicht blos der griechischen, ein so wesentliches Glied
bildet: wir können uns daher nur freuen, wenn der Herausgeber
auf dem noch so wenig geebneten, schwierigen und mühevollen
Pfade fortfährt, die bisher fühlbare Lücke au-szufüllen und die lite-
rarischen Denkmale einer fast vergessenen Periode der griechischen
Welt uns vorzuführen, welche immerhin noch Zeugniss geben, wie
der Funke hellenischen Geistes auch in der trübsten Periode des
Mittelalters nicht erloschen, und selbst in dieser Zeit eine geistige
Thätigkeit bekundet hat, welche allerdings in dem, was sie schafft,
nicht mehr den Mustern dei’ alten classischen, und selbst der spä-
teren römischen Zeit sich gleich stellen kann, im Gegentheil nur
zu sehr von ihr sich entfernt, namentlich was die formale sprach-
liche Seite betrifft, auf der andern Seite aber in höchst merkwür-
diger Weise durch den Einfluss bald orientalischer, bald occiden-
talischer Anschauungen bestimmt wird. Dies ist namentlich bei der
hier erstmals veröffentlichten Dichtung der Fall, die uns durchweg
an das erinnert, was die ritterliche Poesie des Abendlandes, der
Provencalen und Franzosen vom zwölften Jahrhundert an her-
vorgebracht hat, auch ohne dass wir im Stand sind, ein bestimmtes
\ orbild und Muster in der bis jetzt aus diesem Kreise bekannt ge-
wordenen Literatur nachzuweisen, während in der ganzen Färbung
und Haltung des Gedichtes, in Anlage und Charakter eine An-
näherung dieser griechischen Poesie des Mittelalters an die gleich-
zeitige abendländische Poesie unverkennbar ist. Der durch die
LV. Jabrg. 10. Heft. 46
 
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