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Nr. 43.

HEIDELBERGER

1862.

JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Gott und die Natur. Von Dr. Hermann Ulrici. Leipzig. T. O.
Weigel, 1862. XV S. und 624 S. gr. 8.
Die Frage nach dem Verhältnisse des Unendlichen oder Un-
bedingten zum Endlichen oder Bedingten ist eine Lebensfrage der
Philosophie und Theologie. Denn mit jenem, dem Unbedingten oder
Absoluten, wird der Gedanke der Gottheit, mit diesem, dem In-
begriffe aller endlichen oder bedingten innern und äussern Erschei-
nungen, der Gedanke der Welt oder Natur im engern oder
eigentlichen Sinne ausgedrückt. Nimmt man aber die Natur im
weitern Sinne des Wortes als gleich bedeutend mit dem All, so
gehört auch der Begriff Gottes zu ihr und in diesem Sinne wird
die Natur von zwei Seiten als die innere oder thätige, unendliche
Natur an sich, das Göttliche und als endliche bedingte Erscheinung,
die äussere, werdende, sich aus der unendlichen Thätigkeit ent-
wickelnde Natur unterschieden. Wenn man mit der Frage nach
dem Wesen und Verhältnisse des Unbedingten oder der Bedingung
einerseits und des von dieser abhängigen, durch diese gesetzten
Bedingten anderseits, also Gottes und der Natur die Hauptauf-
gabe der Philosophie bezeichnet, welche in gleichem Grade auch
die Theologie und Religion, nur in anderer Weise, beschäftigt, so hat
sich die Wissenschaft vor Allem vor zwei einseitigen Gegensätzen
in der Auffassung und Durchführung dieses Verhältnisses zu hüten,
vor einer unbedingten Trennung und vor einer unbe-
dingten Vermischung der Begriffe Gottes und der Natur.
Denn in beiden Fällen wird von einem eigentlichen Verhältnisse
beider keine Rede sein können. Wird Gott von der Natur unbe-
dingt getrennt, so steht er äusser allem Zusammenhänge mit ihr;
denn eine unbedingte Trennung hebt den Zusammenhang, darum
auch den Begriff des Verhältnisses, in welchem beide zu einander
stehen sollen, gänzlich auf. Gott erscheint nach einer solchen An-
sicht nur als die vorübergehende Ursache (causa transiens) der
Welt. Er ist der ursprüngliche Schöpfer derselben, die Welt ist
sein Geschöpf, in der Zeit entstehend und mit der Zeit aufhörend.
Er wird äusser, über, hinter der Natur als ein gänzlich getrenntes
Etwas gedacht, und es ist nicht abzusehen, wie ein solches in
anderer Weise, als durch die für die Philosophie nicht vorhandene,
unbegreifliche Vermittlung des Wunders in einen Zusammenhang mit
der Welt, also in irgend ein eigentliches Verhältniss einer Einwirkung
gebracht werden kann. Ist dagegen Gott und die äussere Erschei-
nung der Natur Eines und dasselbe, so hört der Unterschied beider
LV. Jahrg. 9. Heft. 43
 
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