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Nr. 44, HEIDELBERGER 1862.
JAHRBÜCHER DER LITERATUR.

Ulrici: Golt und die Natur.

(Schluss.)
Im Begriffe des Stoffes steht die atomistische Auffassung
nach den naturwissenschaftlichen Ergebnissen „unerschütterlich fest.“
Von Gewicht und nicht unbegründet sind aber die Einwendungen,
welche die Wissenschaft gegen die Vorstellung des Atoms erhebt.
Entweder ist das Atom ausgedehnt oder nicht. Im ersten Falle
und, wenn es auch die kleinste extensive Grösse hat, ist es theil-
bar, da im Begriffe jedes Quantums dessen Theilbarkeit ins Un-
endliche liegt. Im zweiten Falle ist durchaus undenkbar, wie eine
Summe ausdehnungsloser Punkte als eine ausgedehnte Masse erschei-
nen könne, da doch diese Masse kein Schein, sondern eine wirkliche,
reelle Erscheinung ist. Demungeachtet wird mit Scharfsinn (S. 339)
die thatsächliche und begriffliche Nothwendigkeit der Annahme von
Atomen vertheidigt und gezeigt, dass jeder „wahre, wirkliche Theil
rein als solcher nothwendig untheilbar sein müsse“, also auch die
Philosophie in der Annahme der Atome mit dei’ Naturwissenschaft
übereinstimme. Der oben gegen die Annahme des Atoms geltend
gemachte Widerspruch wird dadurch beseitigt (S. 340), dass nur
die allgemeine begriffliche Quantität oder die Quantität als Kategorie
von der Qualität getrennt, eine Unendlichkeit von Theilgrössen in-
volvirt, weil sie als allgemeine Grösse keine bestimmte Grösse ist,
also auch keine bestimmte Anzahl von Theilen haben kann.
Von einer „bestimmten realen Grösse“, als welche das kleinste
Stofftheilchen (Atom) erscheint, kann aber die unendliche Theil-
barkeit nicht ausgesagt werden, da es eine Grundbestimmung im
Begriffe der bestimmten Grösse ist, die Begränzung und resp. Be-
schränkung eines Quäle zu sein. Die Atome sind also eine ur-
sprüngliche Vielheit, aus welcher sich durch die sogen. Kräfte die
mannigfaltigen Körper bilden. Denn ein „einziges Atom, das für sich
allein bestände, wäre eine contradictio in adjecto, weil ein Theil
von Nichts vielmehr kein Theil, sondern selbst nichts ist. Die
Atome bedingen sich also gegenseitig. Dieses behauptet auch die
Naturwissenschaft. Mit genauester Begründung wird nun nachge-
wiesen (S. 341 u. 342), dass jede wechselseitige Bedingtheit einer
Mehrheit von Seienden und resp. Kräften noch eine andere Be-
dingung haben muss, als ihr blosses Zugleich- und Zusammensein.
Der mit der Annahme von zugleich bedingten und unbedingten
Atomen gesetzte Widerspruch wird nur durch die Voraussetzung
LV. Jahrg. 9, Heft. 44
 
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