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722 Ellissen: Analekten der mittel- u. neugriechischen Literatur.
Kreuzzüge veranlasste längere Aufenthalt abendländischer Krieger
in den verschiedenen Gegenden des alten, unter Byzantinischen
Scepter entarteten Griechenthums, die Gründung eigener abend-
ländischer Fürstenthümer, und die Festhaltung an der hergebrachten
abendländischen ritterlichen Sitte und Anschauung konnte nicht
ohne Einwirkung selbst auf das geistige Leben der unterworfenen
Griechen bleiben und wir dürfen uns dann nicht verwundern, hier
Produkte dieser geistigen Thätigkeit zu finden, welche in ihrer
Anlage und in ihrer ganzen Färbung uns unwillkürlich an die
Werke abenländischer Romantik erinnern, von deren Geiste sie
imprägnirt erscheinen. Wenn diese Erscheinung bisher weniger
beachtet worden, wenn selbst in Werken, wie in Rizo Nerulo’s
Cours de literature grecque moderne diese Seite ganz unberück-
sichtigt gelassen ist, so mag man dies, wenn auch nicht entschul-
digen, so doch erklären aus dem Umstand, dass für den nicht
näher mit dieser mittelalterlichen Literatur bekannten und auf ihrem
Gebiete heimischen Forscher allerdings kaum Etwas vorlag, was
ihm eine nähere Auskunft darüber hätte geben können, und We-
nigen selbst die unmittelbare Nachbildung provencalischer Poesie
in vulgargriechischer Sprache, welche in der 1845 von Bekker heraus-
gegebenen Geschichte von Flores und Blanchecoeur sich findet,
— um von Anderen nicht zu reden — bekannt ward. Um so dankens-
werther, aber auch beachtenswerther muss daher das erscheinen,
was uns hier aus diesem Kreise mittelalterlicher Dichtung durch
den Verfasser erstmals im Drucke mitgetheilt wird, und zwar aus
derselben Pariser Handschrift (Nro. 2909), aus welcher der Verf.
schon früher (im dritten Bande der Analekten) ein Gedicht, ein
Klaglied über die Eroberung von Constantinopel in ähnlicher Weise
übersetzt und erklärt herausgegeben hatte; diesem Gedicht geht
in der Handschrift der hier erstmals veröffentlichte Liebesroman
voraus, welcher sogar die Veranlassung "war, dass die Handschrift,
welche noch Einiges Andere aus diesem Kreise byzantinisch-
griechischer Literatur und Poesie enthält, unter die „Apologi et
fabulae romanenses“ eingereiht wurde. Was der Verfasser bei der
Herausgabe jenes auch historisch so wichtigen Gedichtes über die
Eroberung Constantinopels in so erschöpfender Weise geleistet hat,
nicht blos in der Vorlage eines richtigen und lesbaren Textes,
welcher mit einer eben so getreuen als fliessenden deutschen Ueber-
setzung begleitet ist, sondern auch durch die umfassende historische
Einleitung wie durch die eben so umfassenden sprachlichen und
sachlichen Anmerkungen, welche dem Texte folgen und Alles, was,
namentlich auch in historischer Beziehung einer Erörterung bedarf,
erklären und ins Licht setzen, das hat er auch in ähnlicher Weise
bei der Herausgabe dieses Gedichtes zu leisten unternommen, welches
zwar nicht die gleiche historische Wichtigkeit durch seinen Inhalt
in Anspruch nehmen kann, aber in anderer Beziehung, in cultur-
gcschichtlicher, als ein merkwürdiges Produkt vulgargriechischer
 
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