Mann: Georg Forster, ein Lebensbild.
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längst einwohnenden Hass gegen Preussen unterdrückt und wäre
sogar nach Berlin gewandert. Und gleichwohl nahm er, der fran-
zösische Beamte, noch im December eine Unterstützung von dort
an, wozu der Minister Herzberg beistimmte in der Hoffnung „er
werde ein guter Preusse bleiben.“ Wie gefährlich dies damals war,
wo Custine in Mainz jeden zu hängen drohte, der ihm eine Unter-
handlung mit Preussen nachsagte, sieht man noch daraus, dass
sogar im September des nächsten Jahres Forster noch fürchtete,
wenn die Berliner Scheine nach Paris kämen, an der Kehle ge-
kitzelt zu werden. Solche mindestens zweideutige Handlungen kennt
der Verfasser nicht.
Auch sah Forster ein, wie seine Handlungsweise in Mainz
anderwärts beurtheilt werden muss; als Heyne ihn beschwoi’ die
französische Stelle niederzulegen, schrieb er: „Ich soll vernünftig
werden, was doch jetzt gar nichts sagen will als dass ich ein
doppelter Schurke sein soll, nachdem ich in den Augen der Leute
jenseits des Rheines an ihnen einer geworden bin.“ Solche Aussprüche,
die zeigen, dass noch nicht alles Gefühl für Wahrheit und Pflicht in
ihm. erstickt war, werden von den Panegyrikern nicht erwähnt; wenn
er aber später sagt „meine Grundsätze sind mein Unglück“, so
steht dies überall in den Biographien, ohne einmal zu bedenken,
dass bei einem so allgemeinen Spruch schier Alle Alles vertheidi-
gen können, und ohne dann speciell nachzusehen, wie eigentlich
Forster an Grundsätze sich nie band. Weil er aber oft so eine
Aeusserung that und weil er immer von sich lobend spricht:
nun denn so bedauert man ihn wegen seines Unglücks und be-
wundert ihn wegen seiner Grundsätze! Wenn wir also sehen, dass
er nur aus. Geldnoth, nicht aus Grundsätzen zu den Franzosen
überging und dass er selbst zugesteht, wie er in den Augen der
Deutschen wegen dieses Uebergangs zum Schurken wurde: wie
wird man denn erst sein weiteres Benehmen im Mainzer Convent
beurtheilen müssen? Hören wir vorerst, was unser Verfasser sagt:
„Wie konnte Forster als Deutscher den Anschluss der Rheinlande
an Frankreich begünstigen? Der Schlüssel zu dieser Handlungs-
weise liegt in seinem Ausspruch: „Nur sowie Nationen haben ein
Vaterland. Er sah zu klar, als dass er nicht hätte verkennen
müssen, dass Deutschland verloren gegangen; und er fühlte zu
gross und patriotisch tief, als dass er sich mit dem untergeschobe-
nen Vaterlande der bestehenden Verhältnisse hätte abfinden oder
gar für ein specielles Vaterländchen hätte begeistern können.“ Diese
Vertheidigung ist weder wahr noch klar! Also Forster meinte
Deutschland wäre verloren — was gar nicht der Fall war ■— der
Schweizer muss die deutsche Geschichte von damals nicht kennen
— er konnte sich nicht für ein specielles Vaterländchen begeistern
— was heisst das? soll darunter Mainz verstanden sein; vor drei
Jahren dankte er dem Kurfürsten öffentlich, dass er ihm sein Vater-
land wieder gab und rühmte Mainz gar sehr — er fühlte tief patrio-
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längst einwohnenden Hass gegen Preussen unterdrückt und wäre
sogar nach Berlin gewandert. Und gleichwohl nahm er, der fran-
zösische Beamte, noch im December eine Unterstützung von dort
an, wozu der Minister Herzberg beistimmte in der Hoffnung „er
werde ein guter Preusse bleiben.“ Wie gefährlich dies damals war,
wo Custine in Mainz jeden zu hängen drohte, der ihm eine Unter-
handlung mit Preussen nachsagte, sieht man noch daraus, dass
sogar im September des nächsten Jahres Forster noch fürchtete,
wenn die Berliner Scheine nach Paris kämen, an der Kehle ge-
kitzelt zu werden. Solche mindestens zweideutige Handlungen kennt
der Verfasser nicht.
Auch sah Forster ein, wie seine Handlungsweise in Mainz
anderwärts beurtheilt werden muss; als Heyne ihn beschwoi’ die
französische Stelle niederzulegen, schrieb er: „Ich soll vernünftig
werden, was doch jetzt gar nichts sagen will als dass ich ein
doppelter Schurke sein soll, nachdem ich in den Augen der Leute
jenseits des Rheines an ihnen einer geworden bin.“ Solche Aussprüche,
die zeigen, dass noch nicht alles Gefühl für Wahrheit und Pflicht in
ihm. erstickt war, werden von den Panegyrikern nicht erwähnt; wenn
er aber später sagt „meine Grundsätze sind mein Unglück“, so
steht dies überall in den Biographien, ohne einmal zu bedenken,
dass bei einem so allgemeinen Spruch schier Alle Alles vertheidi-
gen können, und ohne dann speciell nachzusehen, wie eigentlich
Forster an Grundsätze sich nie band. Weil er aber oft so eine
Aeusserung that und weil er immer von sich lobend spricht:
nun denn so bedauert man ihn wegen seines Unglücks und be-
wundert ihn wegen seiner Grundsätze! Wenn wir also sehen, dass
er nur aus. Geldnoth, nicht aus Grundsätzen zu den Franzosen
überging und dass er selbst zugesteht, wie er in den Augen der
Deutschen wegen dieses Uebergangs zum Schurken wurde: wie
wird man denn erst sein weiteres Benehmen im Mainzer Convent
beurtheilen müssen? Hören wir vorerst, was unser Verfasser sagt:
„Wie konnte Forster als Deutscher den Anschluss der Rheinlande
an Frankreich begünstigen? Der Schlüssel zu dieser Handlungs-
weise liegt in seinem Ausspruch: „Nur sowie Nationen haben ein
Vaterland. Er sah zu klar, als dass er nicht hätte verkennen
müssen, dass Deutschland verloren gegangen; und er fühlte zu
gross und patriotisch tief, als dass er sich mit dem untergeschobe-
nen Vaterlande der bestehenden Verhältnisse hätte abfinden oder
gar für ein specielles Vaterländchen hätte begeistern können.“ Diese
Vertheidigung ist weder wahr noch klar! Also Forster meinte
Deutschland wäre verloren — was gar nicht der Fall war ■— der
Schweizer muss die deutsche Geschichte von damals nicht kennen
— er konnte sich nicht für ein specielles Vaterländchen begeistern
— was heisst das? soll darunter Mainz verstanden sein; vor drei
Jahren dankte er dem Kurfürsten öffentlich, dass er ihm sein Vater-
land wieder gab und rühmte Mainz gar sehr — er fühlte tief patrio-