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Hermann: Verhältnis« der Philosophie zur Religion.

und Wichtigste, die Frage nach dem letzten Grunde des Denkens
und Seins, dem „dunkeln Hintergrund“ der Religion, dem „Ahnen“
und „Glauben“ und nicht der Wissenschaft als Stoff angehört?
Ref. kann daher unmöglich der Ansicht des Herrn Verf. beistim-
inen, dass „die Begründung des Glaubens an Gott nicht Sache der
Philosophie“, dass das „religiöse Princip unabhängig von allen
Resultaten und Lehren der Wissenschaft“ sei (S. 56). Begründen
heisst die Wahrheit eines Satzes durch die Wahrheit eines andern,
an und für sich gewissen Satzes darthun. Dieses kann aber nur
an der Hand der Wissenschaft geschehen, welche die Wissen-
schaft von den Gründen unseres Erkennens ist, und diese Wissen-
schaft ist eben die Philosophie. Da nun die Philosophie, wie der
Herr Verf. will, den religiösen Glauben nicht zu begründen hat,
weil eine solche Begründung „nicht ihre Sache“ ist, so bleibt nichts
anderes übrig, als dass die Religion, in deren Gebiet das „Uebersinn-
liche“ allein fallen soll, ihren Glauben zu begründen hat. Die
„Wurzel der Religion“ ist aber dem Herrn Verf. „Gefühlsahnung
oder der Glaube“, während die Philosophie „aus der Kraft des
selbstbewussten geistigen Denkens entspringt“ (S. 6). Es soll also
in einem entschiedenen Widerspruche die Begründung, die nur ein
Gegenstand des Wissens sein kann, durch das Nichtwissen = Ahnen
oder Glauben stattfinden. Man kann den Glauben nicht durch den
Glauben, das Ahnen nicht durch das Ahnen begründen „da .der
letzte Grund des Glaubens nur als gewusst, nicht aber als geahnt
oder geglaubt der letzte Grund ist.“ „Wahrheiten der Vernunft“
sagt der Hr. Verf., sind im Gegensätze zu den beweisbaren „Wahr-
heiten des Verstandes“ solche, welche „weder unbedingt bewiesen,
noch widerlegt werden können.“ Ist aber dasjenige ein Grund, das
man nicht beweisen kann? Ist nicht ein unbeweisbarer Grund so
lange kein Grund, bis man ihn als beweisbar erkannt und bewie-
sen, d. h. bis man einen Grund für den Grund gefunden hat? Wo
kann man aber anders stille stehen, wenn man etwas begründen
will, als bei einem letzten, in sich und durch sich gewissen Be-
weisgründe? Wenn die Philosophie die Wissenschaft vom letzten
Grunde ist und, dass sie dieses ist, liegt in ihrem Begriffe, so muss
sie auch die letzte Begründung, somit auch die „Begründung des
Glaubens an Gott“ zu ihrer Sache machen. Das religiöse Princip
muss darum zuletzt auch von den Principien der Philosophie seine
Begründung erhalten.

(Schluss folgt.)
 
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