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"Weisse: Rede zum Andenken Fichte’s.

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verfassten Lebensbeschreibung desselben, und sagt von die-
ser mit vollem Rechte (S. 13): „Sie ist so erschöpfend, so
in dem Charakter ihrer Darstellung dem Gegenstände gemäss, des
Gegenstandes würdig, wie nur irgend gewünscht werden kann,
Jedermann zugänglich, gleich anziehend, gleich lehrreich für Jung
und Alt, für Gelehrte und Ungelehrte, für Männer und Frauen.“
Darum werden von dem Hrn. Verf. nur einige einflussreiche Momente
seines Lebens hervorgehoben. Er zeigt, wie in den Bedrängnissen
von Fichte’s jugendlichem Leben sich dessen Charakter bildete
und erstarkte. Es werden der Einfluss seines Aufenthaltes in der
Schweiz, seine Erstlingsschrift: Kritik aller Offenbarung, seine Thätig-
keit in Jena, sein Atheismusstreit, sein Leben in Berlin, seine
Wirksamkeit für das deutsche Volk und sein Tod in Kürze erwähnt.
Das Leben Fichte’s ist, wie S. 17 sehr wahr gesagt wird,
„aus einem Gusse, getragen in so durchgängiger Treue und Ueber-
einstimmung mit sich selbst, wie nur selten das Leben eines Mannes
von reicher Wirksamkeit, von einer sittlichen Idee, einer ein-
fachen, klaren, gediegenen.“ Von diesem Leben wird der Ueber-
gang zu seiner Lehre gemacht. „Eben so aus einem Gusse in
sich selbst und mit dem Gusse seines Lebens ist sein philosophi-
sches System; den Grundgedanken, den Charakter dieses Systems,
in ein kurzes Wort zusammenzufassen, wird eben durch die Ein-
fachheit und Gediegenheit seines Gusses erleichtert. Fichte ist
Idealist; er ist es als theoretischer Philosoph in des Wortes ver-
wegenster Bedeutung, in dem schroffsten, überhaupt möglichen
Sinne.“ Es wird angedeutet, wie er von Kant ausgehend, zu
seinem subjectiven Idealismus kam, wie er von der theoretischen
Wissenschaftslehre, welche ihn zur Verneinung alles dessen, was
das Ich nicht ist, dieser „trostlosensten, niederschlagendsten aller
Verneinungen“ führte, durch die praktische Wissenschaftslehre zur
„geist- und herzerhebendsten aller Bejahungen“ gelangte, indem er,
von der Macht und Energie des sittlichen Bewusstseins geleitet,
mit der Gewissheit des Ichs die vollkommen gleiche, unantastbare
Gewissheit der Thatsache des Sittengesetzes verband. Die innere
Gewissheit des Sittengesetzes führte ihn zur Wirklichkeit der Ver-
nunftwelt. Indem die Philosophie Fichte’s als praktischer Idea-
lismus „dem menschlischen Verstände in abgeklärter Weise das
Bewusstsein seiner Aussenwelt wiedergibt“, welches sie ihm „als
theoretischer Idealismus entzogen hat“, gleicht sie „dem Speere des
Achilles, der die Wunde heilt, die er selbst geschlagen hat.“ Die
„ächte, wahrhafte Philosophie ist stets auch eine sittliche That.“
Sie „befreit den Menschen von den Banden der Sinnlichkeit, sie
erhebt ihn in das Reich der Freiheit, der Freiheit des Geistes,
welche schlechthin eines und dasselbe ist mit der sittlichen Noth-
wendigkeit.“ Der Schein der Sinnenwelt ist nur dazu da, dem sitt-
lichen Menschen „die selbstthätige, selbstkräftige That der Befrei-
ung von ihr, das Wollen, das Wirken und Schaffen im lauteren
Elemente des Geistes, im Wechselverkehr der Geister zu ermög-
 
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