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C a r u s : Natur und Idee.

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bei Plato) ist die Bedingung für die Aufstellung gültiger Ansichten
vom Staate.
Was endlich das Staatsleben betrifft, worüber der Verf.
S. 483 sich ausspricht, so kann ein Staat, selbst bei äusserer Ruhe,
nie ohne lebendige Bewegung im Inneren gedacht werden. Wie
im körperlichen Leben, gibt es im Staatsleben „eine sensitive (ma-
terielle) Region und eine motorische (ideelle).“ Die materielle lässt
der H. Verf. in vier neue Regionen sich verzweigen, in Agricultur,
Kriegswesen, Handel und Erziehung, und dem entsprechend er-
halten wir auf der ideellen Seite: Kunst, Handwerk, Justiz, Wis-
senschaft und Religion. Wiewohl wir mit dieser Eintheilung der
Sache nach nicht ganz einverstanden sind, so müssen wir doch ein-
räumen, dass sie neu ist, und, was die Ableitung anbetrifft, inte-
ressant, zudem sie nicht hindert, sich von der Nothwendigkeit einer
innigsten wechselseitigen Verbindung und Durchdringung aller ein-
zelnen staatlichen Funktionen untereinander zu überzeugen.
Den Begriff des „Freiseins“ der in Hinsicht auf das Staats-
leben am meisten besprochen wird, gewinnt der H. Verf. aus dem
Ueberblicke des gesunden Organismus, wo jedes System und Organ
ungehindert innerhalb seiner Grenzen seine Funktionen übt. „Die
ächte Freiheit des Staatslebens wird die sein, wo jede der ge-
nannten Regionen ungehindert ihre Aufgabe erfüllt, und wo ihr
keine andere Schranken gesetzt sind, als die, welche durch das
Wohl des Ganzen ihr bestimmt werden, mit einem Worte, als die
Freiheit innerhalb des Gesetzes“ ...
Als besonders wichtig für die Lehre vom Staatsleben in phi-
losophischer Beziehung bezeichnet der H. Verf. S. 488 erstens die
stete Einwirkung des Unbewussten des Volks oder der Nation,
wie er es bezeichnet, er meint damit: des Mangels an rechtem Be-
wusstsein, die stete Einwirkung dieses Mangels auf den Gang der
Fortbildung des Ganzen, das zweite Moment ist ihm die Bedeutung
der Geschichte des Staates für dessen eigene weitere Entwicklung.
In ersterer Beziehung klärt er uns darüber auf, dass ein Volk,
weil es im Ganzen nie eigentlich reif werden kann, d. h. durch
und durch zum rechten Bewusstsein gelangen, auch nie ganz den
Instinkt überwinden wird, der als solcher, und bei mangelndem,
von Einsicht getragenen, Willen der eigentliche Erklärungs- und
Urgrund zu nennen ist, wodurch die stille Bewegung der Nationen
hauptsächlich bedingt wird.“
In letzterer Beziehnng sollte dem Vergehen eines Staates durch
den Rückblick auf die Geschichte vorgebeugt werden. Der Herr
Verf. meint S. 489: „Ein Staat, welcher seine Bedeutung, die innere
Erneuung und Lebens-Metamorphose, welche alles Lebendige durch-
dringen muss, weder hindert, noch überstürzt, kann unendliche
Zeiten ausdauern, ja eben durch den immer grösser werdenden
Rückblick auf seine Geschichte immer mehr sich läutern und kräftigen.
„Könnte“, wollte der H. Verf. besser sagen; denn das Können hängt
 
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