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Strack, Friedrich [Hrsg.]; Becker-Cantarino, Barbara [Hrsg.]; Universitäts-Gesellschaft <Heidelberg> [Hrsg.]
Heidelberger Jahrbücher: 200 Jahre Heidelberger Romantik — Berlin, Heidelberg, 51.2007 [erschienen] 2008

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VI: Die Politisierung der volksidee und ihre Nachwirkungen im 19. und 20. Jahrhundert
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Klausnitzer, Ralf: Zentrum oder Peripherie
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https://doi.org/10.11588/diglit.11459#0570

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Zentrum oder Peripherie

Faszinations- und Wirkungsgeschichte

der Heidelberger Romantik
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts

RALF KLAUSNITZER

Als sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die deutsche Literatur-
wissenschaft als Geisteswissenschaft formiert und mit dem Integrationspro-
gramm der sog. Geistesgeschichte eine bis in die 1960er Jahre wirkungsmäch-
tige Alternative zu philologischen Textumgangsformen entwickelt, entdeckt
sie in der lange kühl behandelten Romantik einen Gegenstandsbereich, der
eine Fülle von Anschlussmöglichkeiten bietet. Poetologische Reflexivität und
kritische Negativität erweisen sich als ebenso attraktive Felder für die Profilie-
rung einer problem- und ideengeschichtlich geleiteten Literaturforschung wie
die Bemühungen um Mythologie und „altdeutsche" Überlieferung; die Rekon-
struktion von romantischer „Symphilosophie" und Religiosität wie die Thema-
tisierung übergreifender Generationserfahrungen erweitern die Arbeitsfelder
einer bislang durch Editorik, Biographik und mikrologische Miszellenwirt-
schaft geprägten Universitätsgermanistik nachhaltig. Der Ausstoß von Detail-
untersuchungen und Gesamtdarstellungen ist so immens, dass Paul Böckmann
1933 resümiert, die Erforschung der Romantik sei „zu einem der lebendigs-
ten Bereiche der neueren Literaturwissenschaft geworden".1 In diesem Befund
trifft er sich mit dem Berliner Ordinarius Julius Petersen, der in seinem viel-
besprochenen Buch Die Wesensbestimmung der deutschen Romantik 1926 fest-
stellt, dass „die heutige Literaturgeschichte beinahe mit Romantikforschung
gleichgesetzt werden kann".2

Die Wiederentdeckung der Romantik durch die universitäre Literaturwis-
senschaft folgt Vorgaben eines Kunst- und Literatursystems, das im Protest
gegen Akademismus und Naturalismus seit Ende der 1890er Jahre Bestände
der romantischen Kulturepoche wieder zu erschließen begonnen hatte. Die
Romantik-Darstellungen von Ricarda Huch und Marie Joachimi stilisieren
die ein Jahrhundert zurück liegende Bewegung zu einem generationsspezi-

1 Böckmann 1933,47.

2 Petersen 1926,2.
 
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