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Heidelberger Volksblatt (7) — 1874

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Nr. 1 - Nr. 9 (3. Januar - 31. Januar)
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Inſel inmitten des See's gelegen war; ich fütterte
meine Schwäne und freute mich der Jungen, die von
den Alten geduldig ausgebrütet, grau und unanſehn-
lich aus den Eiern herauskrochen. Das war eine ganze,
ſchöne Welt für mich. Eines Tages ſah ich zu mei-
nem Erſtaunen von der unſerer Beſitzung gegenüber⸗—
liegenden Seite des See's gleichfalls einen Nachen her⸗—
anrudern; derſelbe wurde von einem Manne gelenkt,
deſſen herrſchaftliche Livree den Diener eines vornehmen
Hauſes anzeigte. Vor demſelben ſaß ein Mädchen von
vielleicht zehn Jahren von ſo ſonniger Schönheit, daß
ich in meinem phantaſtiſchen Knabenfinn glaubte, ir-
gend ein Feenkind käme aus ſeinem luftigen Reiche zu
mir, um mich durch ſeine Gegenwart zu beglücken.
Lange goldene Locken umwallten ein paar weiße runde
Schultern, das liebliche Antlitz war von zarter Röthe
überhaucht, dunkle Augen blitzten mir mit ſchalkhaftem
Feuer entgegen. Der Kahn wurde an's Land geru-
dert, das ſchöne Kind ſprang heraus und eilte in leich-
ter Anmuth auf mich zu. — Ich trat verlegen zurück
— die Kleine aber, geſellſchaftlich gewandter, obgleich
in faſt gleichem Alter mit mir, reichte mir lächelnd
die Hand und fragte mit ſüßer, einſchmeichelnder Stimme:
„Wie heißeſt Du?“ „Bodo Walter!“ entgegnete ich
und wurde purpurroth. „Und die Schwäne gehören
Dir?“ fragte ſie weiter. — „Ja.“ — „O, bitte“, fuhr
ſie raſch fort, „laß mich auch einmal Deine Schwäne
füttern, ich habe geſtern Dir zugeſehen, als Du ſie an
Dich lockteſt, und mit ihnen beim Füttern ſpielteſt.“
Ich that, wie ſie wünſchte. So verging eine halbe
Stunde. Der Diener mahnte zum Aufbruch. Sie
reichte mir zum Abſchiede die Hand. „Ich wohne dort
drüben“, ſagte ſie und zeigte über den See hinüber auf
ein großes, ausgedehntes Gebäude. „Mein Vater iſt
der Freiherr von Plato und ich heiße Conſtanze.“
Damit nickte ſie mir noch einmal zu und ſprang in
den Kahn. Damit war unſere Bekanntſchaft gemacht;
ſeitdem ſahen wir uns faſt alle Tage. — Später machte
auf mein vieles Bitten meine Mutter — mein Vater
war bald nach Erwerb der Beſitzung geſtorbeu — mit
mir bei dem Freiherr von Plato einen Beſuch. Sie
that es nicht gern, denn die Plato's genoſſen keines
gar zu guten Renomme's und Fritz, der Bruder Con-⸗
ſtanze's, war ein wilder, unangenehmer Knabe, ſchon
früh zu Laſtern geneigt und voller Haß gegen Alles,
was beſſer und klüger war als er. So ſehr mir Con-
ſtanze den Aufenthalt auf ihrem väterlichen Gute an-
genehm machte, ſo ſehr verleitete mir Fritz denſelben
— wir Beide waren ſtets im Krieg, und unſere gegen-
Lein Abneigung verrieth ſich bei jedem Zuſammen-
ein. ö
Frau von Plato, die Mutter Conſtanze's, war ſchon
leidend, als wir ſie kennen lernten, ſie ſtarb bald und
dadurch wurde der Verkehr meiner Mutter in dem

Hauſe des Herrn von Plato ein ſehr ſeltener, beſbn-
ders, da meine Mutter für die von Herrn von Plato

zur Erziehung Conſtanzens engagirte Dame, für Fräu-
lein von Altheim, durchaus keine Sympathie empfand.
Deſto häufiger war ich dort — und als wir Beide,

düſterer und verſchloſſener.

Conſtanze und ich, herangewachſen waren, als ich nach

abgelegten Fähndrichs⸗Examen auf den Sommerſitz zu
meiner Mutter eilte, da war es natürlich, daß wir uns
Herz und Hand verſprachen und im ſeligen Gennß des
erſten Liebesglückes die Welt um uns vergaßen. —
Noch hatte ich mich gegen Herrn von Plato nicht er-
klärt, aber Conſtanze verſicherte mich, daß er nichts
gegen unſere Verbindung haben werde — und ich glaubte
das auch, denn wenn mir auch der Adel fehlte, ſo wog
mein Geld den weniger begüterten Plato's gegenüber
wohl dieſen Mangel auf.
Ich hatte damals einen Freund auf unſern Land-
ſitz mitgebracht, den ich nächſt Conſtanzen am meiſten
in der Welt liebte. Ich hatte ihn in einer heiteren
Geſellſchaft kennen gelernt. Schon ſein Aeußeres war
mir ſofort aufgefallen und hatte mich interreſſirt. Er
war durchaus nicht ſchön — ja vielleicht wäre er in
den Augen mancher Dame häßlich geweſen — für mich
aber hatte ſein Geſicht einen heſonderen Reiz. Die
ſtarken unregelmäßigen Züge ſprachen von Kraft und
Energie, und aus den tiefliegenden Augen blitzte ein
dunkles Feuer, das in Augenblicken der Begeiſterung
zu lodernder Gluth anwuchs. Er hatte einige Zeich-
nungen und Kompoſitionen mitgebracht, die der Geſell-
ſchaft vorgelegt wurden. Alle zeugten von einer ge⸗—
waltigen, obwohl noch nicht geregelten Macht der Ge-
ſtaltung, von einer Ideenfülle, wie man ſie ſelten bei
Künſtlern ſindet. Ich war entzückt von ſeinen Leiſtun-
gen und ſprach ihm meine Bewunderung unverhohlen
aus. Bald umſchlang uns ein inniges Freundſchafts-
band. Hubert lebte in dürftigen Verhältniſſen. Ich
war glücklich, daß ich dem armen Freunde hilfreich un-
ter die Arme greifen konnte, und obwohl Hubert viel
zu ſtolz war, von mir Geldunterſtützungen anzunehmen,
ſo wußte ich doch ihm einträgliche und lohnende Auf-
träge zu verſchaffen, die ſeine äußere Lage zu verbeſ-
ſern im Stande waren. Hubert's Liebe zu mir trug
etwas von dem düſtern Feuer ſeines Charakters an fich.
Während in meinem Herzen das Bild Conſtanzens den
Platz, den Hubert darin einnahm, beengte, wohnte in
dem ſeinigen, das den Frauen abhold war, die Liebe
für mich allein. Er fühlte, daß ich ſo ganz ihm nicht
gehöre wie er mir, und ſeine eiferſüchtige Liebe ſtörte
zuweilen die Harmonie unſers Beiſammenſeins. Den-
noch verlebten wir herrliche, ſchöne Tage zuſammen
und wir waren unzertrennlich. So begleitete mich
Hubert dann auch mit der Mutter auf unſer Landhaus.
— Natürlich hatte ich ihm meine Liebe zu Conſtanzen
anvertraut und er wurde jetzt Zeuge unſeres jungen
Glücks. War es nun Eiferſucht auf mich, war es das
ihm ſelbſt unbewußte Gefühl des Neides, daß ihm eine
ſolche Liebe, wie ſie mir zu Theil wurde, fehlte, genug
— er wurde während unſeres Aufenthaltes immer
Conſtanze betrachtete An-
fangs den jungen Künſtler ebenfalls mit etwas eifer-
ſüchtigen Augen, da ſie fürchtete, dieſe Freundſchaft
könne meiner Liebe zu ihr Abbruch thun; bald aber
fand ſie Intereſſe für ihn, für dieſe „ungeleckte Natur“,
wie ſie Hubert bezeichnete. Das ſpröde Weſen des
 
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