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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 23.1912

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Zimmermann, Ernst: Zum Wiedererwachen der Ornamentik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7710#0037

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INNEN-DEKORATION

25

ENTWURP v. ARCHITEKT

CARL WITZMANN IN WIEN.

SCHLAFZIMMER DES HERRN. NUSSBAUM-MASER POLIERT

Mögt und in Schranken gehalten, und abwechslungs-
bedürftiger. Er reizt die Phantasie zu immer neuen
Spielen, schafft immer neue Lösungen, immer neue Wir
Hungen. Und so gewaltig ist er und auch so reich, dau
manche Kulturvölker — und das sind wir in Europa
An zwar zu bändigen und in den Dienst einer höheren
Kunst zu stellen wissen, — das ist das große unsterbliche
Verdienst der Griechen gewesen, auf deren 1 empei
kunst noch heute unsere ganz höhere Kunst sich gründet,
~ andere dagegen, die gleichfalls zu den höchsten Kunst-
und Kulturvölkern gehören, über die Befriedigung dieses
Triebes kaum je hinausgekommen sind. Freilich dank
dleser Einseitigkeit in einer Weise, so schön und folge-
richtig, wie wir dies nie gekonnt haben. Das sind die
Völker Asiens, die klassischen Völker der Dekoration
die Völker, die diese geliebt haben wie kein anderes mit
wahrer Inbrunst und doch auch wieder mit wahrer Maüi-
gung und so mit dieser beherrschten Kraft auf diesem
Gebiete Vorbilder geschaffen haben, die immer, wenn sie
mit unserer Kunst in Berührung kamen, — und dieserVor-
gang wiederholt sich in gewissen Perioden, — diese rasch
unter ihren Bann brachten und auf sie einen bestimmenden
Einfluß ausgeübt haben, der nie wieder ganz verloren ging,
oei ihnen hat der den Menschen angeborene Schmuk-
kungstrieb seinen edelsten und reinsten Ausdruck ge-

1»12. I. 3.

funden. Und nur ganz selten ist dieser Schmucktrieb bei
den Menschen erlahmt, erloschen nie! Es sind dies immer
Zeitalter gewesen, die dem unsrigen verwandt waren,
Zeitalter, in denen gleichfalls das vorangegangene Über-
maß an Schmuck und seine schematische Anwendung die
Freude an diesem verdarb und in eine Art Haß umwan-
delte, doch freilich niemals in demselben Maße wie bei uns.

Es handelt hier sich vor allem um die erste Anfangszeit
der Gotik, die auf den spielerischen Ausgang der roma-
nischen Kunst folgte, weiter um die Periode der Hoch-
renaissance, die fast die gesamte mühsam errungene
Ornamentik der Frührenaissance bei Seite warf und dann
vor allem um das Empire, das plötzlich in der Antike zu
erkennen glaubte, daß ihre »edle Einfalt und stille Größe«
wirklich so groß und edel wären, daß man darüber fast
auf jedes andere Kunstelement verzichten konnte. —

In dieser Zeit ging auch, wie noch nie vorher, die
Freude an der Farbe verloren. Aber alle diese Epochen
waren nur kurz, sie waren bald genug überwunden, und
dann setzte wieder der freie Spieltrieb der Kunst ein.
Wenn auch freilich nicht immer mit gleichem Erfolg. Und
genau so geht es auch jetzt: der natürliche, ange-
borene Trieb zu schmücken dringt wieder durch
und verlangt nach seinem Rechte. Wohl ihm,
wenn er hierbei gleich die richtigenWege findet!
 
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